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Rentenbescheide fehlerhaft

Rentenbescheide fehlerhaft
Rentenbescheide sollten regelmäßig überprüft und geklärt werden. Foto: Stockfotos-MG

Dresden – Als Conrad Fiedel* aus Dresden seinen Rentenbescheid bekam, war die Freude zunächst groß. Doch als er seine Versicherungszeiten sah, stutzte er. Vier Jahre Studium an einer Hochschule? Das konnte gar nicht sein. Er hatte doch eine Fachschule besucht. „Die Jahre an einer Fachschule werden für die Rente berücksichtigt, Zeiten für ein Hochschulstudium dagegen nicht“, erklärt Christian Lindner, Rentenberater aus Dresden. Mit seiner Unterstützung legte Fiedel Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein – und hatte Erfolg. Nach der Korrektur durch die Deutsche Rentenversicherung fällt seine Rente nun 59 Euro pro Monat höher aus. Das sind 708 Euro mehr pro Jahr. Die Ausbildungsjahre konnte der Dresdner mit Zeugnissen nachweisen.

Kein Einzelfall

Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung legten allein 2019 rund 145.000 Menschen Widerspruch gegen ihren Rentenbescheid ein – in etwa einem Viertel der Fälle mit Erfolg. Rentenberater Lindner findet bei etwa 40 Prozent seiner Mandanten Fehler – in der Regel zum Nachteil der Rentner. Das liegt meist an den hinterlegten Daten im persönlichen Versicherungskonto, die als Grundlage für die Berechnung dienen. Viele Informationen, wie zum Beispiel die Verdienste oder der Bezug von Kranken- und Arbeitslosengeld, werden automatisch gemeldet. Unterlagen zu Schulbesuch, Ausbildung und Kindererziehung müssen Beschäftigte anhand von Unterlagen selbst mitteilen. „Oft fehlen Informationen, weil der Versicherte nicht alle Nachweise oder Unterlagen eingereicht hat“, sagt Dirk von der Heide von der Deutschen Rentenversicherung. Lindner hat zudem beobachtet, dass vor allem Eingabefehler oder eine falsche Rechtsanwendung zu fehlerhaften Bescheiden führen. Er empfiehlt eine Überprüfung der persönlichen Daten im Versicherungsverlauf spätestens, wenn der Rentenbescheid vorliegt. Den erhalten Versicherte, wenn sie am Ende des Berufslebens einen Rentenantrag stellen.

Neben privaten Rentenberatern ist auch der Sozialverband VDK aktiv. „Wer gegen Unstimmigkeiten vorgehen möchte, hat einen Monat Zeit, Widerspruch einzulegen.“

Welche Fehler treten am häufigsten auf?

„Genau geprüft werden sollten die Bewertung von Ausbildungs-, Studien- oder Erziehungszeiten sowie die Einkommensanrechnung nach einer Scheidung oder dem Tod des Ehepartners“, sagt Lindner. Auch Zahlendreher würden vorkommen, vor allem für ältere Zeiten, da damals noch alle Daten mit der Hand eingegeben worden sind.

Unterschiede zwischen Ost und West

Für die Nachwendezeit sei wichtig, dass der korrekte Arbeitsort berücksichtigt ist – denn es macht einen Unterschied, ob der in Ost oder West liegt. Ältere Arbeitnehmer, die schon in der DDR einem Beruf nachgegangen sind, sollten insbesondere die Zeiträume der freiwilligen Zusatzrente (FZR) und der DDR-Zusatz- und Sonderversorgungszeiten nachprüfen, ebenso wie die Angaben zu Krankheitszeiten. „Im Sozialversicherungsausweis sind alle dafür relevanten Daten hinterlegt. Sie werden aber oft falsch übertragen“, sagt Lindner. So war bei einem seiner Mandanten, einem 63-Jährigen aus der Nähe von Chemnitz, für 1988 eine Woche Arbeitsunfähigkeit gar nicht eingetragen. Dabei gilt diese Zeit als Anrechnungszeit für die Rente. Außerdem wurden bei ihm für 1989 zwar Arbeitsunfähigkeitszeiten berücksichtigt – hier greift aber eine Besonderheit für DDR-Beschäftigungsverhältnisse bis zum 31.12.1991: Wenn im vorderen Teil des Sozialversicherungsausweises konkrete Arbeitsausfalltage eingetragen sind, wie in diesem Fall, haben diese gegenüber allgemeinen Arbeitsunfähigkeitszeiten Vorrang. Ausfalltage werden zu 100 Prozent, Arbeitsunfähigkeitszeit aber nur zu 80 Prozent für die Rente gewertet. Ist die Angabe falsch hinterlegt, wirkt sich das auf die Rentenhöhe aus. Lindners Mandant bekomme nach einem Widerspruch nun 14,39 Euro monatlich mehr Rente. Auch wer in seinem Versicherungsverlauf über die Formulierung „krank ohne Beitragszahlung“ stolpert, sollte sich wehren. „Das bedeutet, die Anrechnungszeit wird überhaupt nicht bewertet. So etwas gibt es für Ostzeiten vor 1992 nicht und ist falsch“, sagt Lindner. Es handele sich um eine normale Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit.

Widerspruch kann sich auszahlen

Auch für Neurentner, die von den noch laufenden Gerichtsverfahren zu Mütterrente und NVA-Zeiten betroffen sind, kann sich ein Widerspruch lohnen. So halte man sich die Möglichkeit offen, dass der Bescheid später korrigiert wird.

Zeiten der Kindererziehung werden inzwischen zwar deutlich besser anerkannt – für vor 1992 geborene Kinder sind es 2,5 Jahre, für nach 1992 geborene Kinder drei Jahre. Waren Frauen – vor allem im Osten – aber direkt nach der Geburt wieder arbeiten und haben gut verdient, wird der Anspruch auf Mütterrente gekürzt. Denn die Kindererziehungszeit wird nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag anerkannt. Ob das gerecht ist, darüber muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Ein Verfahren zur Bewertung von NVA-Grundwehrzeiten vor 1982 ist in Dresden am Landessozialgericht anhängig. Und wie geht es nach einem Widerspruch weiter? Hält der Rentenversicherer die Einwände für begründet, kann er dem Widerspruch stattgeben. Hält er sie für unbegründet, verschickt er einen Widerspruchsbescheid. „Diesen kann der Rentner vor dem Sozialgericht anfechten“, sagt Lindner. Sollte es zu einem Verfahren kommen, können sich Versicherte von einem Rentenberater vertreten lassen. Die Kosten dafür werden individuell vereinbart. Ein Anwalt muss nicht eingeschaltet werden, es entstehen auch keine Gerichtskosten. Hat der Rentenversicherer Fehler gemacht, muss er für alles aufkommen–auch für den Rentenberater.

Gut zu wissen

Haben Ruheständler die Frist für den Widerspruch verpasst oder fallen ihnen erst später Fehler auf, können sie jederzeit einen Überprüfungsantrag stellen. Lehnt die Deutsche Rentenversicherung den Antrag ab, können sie dagegen gerichtlich vorgehen. Ist der Antrag erfolgreich, erhält der Versicherte fehlende Beiträge erstattet – maximal aber nur für vier Jahre rückwirkend.

Ab 55 automatische Info

„Beschäftigte haben jederzeit die Möglichkeit, sich ihren Versicherungsverlauf, also eine Übersicht über alle zu berücksichtigenden Beitragszeiten in der Vergangenheit, zuschicken zu lassen oder online zu beantragen“, sagt Lindner. Ab 55 erhält man ihn automatisch per Post. Wer Lücken oder Fehler entdeckt, kann einen Antrag auf Kontenklärung stellen und Nachweise einreichen. Wer übrigens Fehler zu seinen Gunsten feststellt, sollte das dem Rententräger ebenso mitteilen. „Sonst kann dieser später zu viel ausgezahlte Rente zurückfordern, wenn der Versicherte den Fehler hätte erkennen müssen“, erklärt Lindner.

* Name auf Wunsch geändert

Kornelia Noack

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

  • Arbeitsausfalltage – seit 1974/75 wurden im SV-Ausweis der DDR bis 30. Juni 1990 Arbeitsausfalltage eingetragen. Es handelt sich um Zeiten, in denen Geldleistungen der Sozialversicherung bezogen wurden, etwa Kranken- oder Schwangerschaftsgeld. Auch Zeiten der unbezahlten Freistellung gehören dazu.
  • Je fünf Arbeitsausfalltage zählen pauschal als sieben Tage Anrechnungszeit für die Rente. Für Zeiten vor 1984 muss sich mindestens ein voller Kalendermonat ergeben.
  • Weitere Infos und Ansprechpartner finden Sie beim Bundesverband der Rentenberater.

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