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Der Herbst ist ein wahres Klangwunder

Die herbstliche Natur ist ein wahres Paradies für alle Sinne. Foto: drubig-photo

Deutschland – Wenn man jetzt die Tür öffnet, vielleicht die Augen schließt, ins Freie hinaustritt und ganz tief einatmet, welche Gerüche nimmt man dann wahr? Wonach duftet der Herbst? Nach feuchtem Laub, Eicheln und Kastanien? Oder ist es eher der Geruch von Chrysanthemen, Astern oder Pilzen, den die Natur in diesem Augenblick ausströmt? Durch die Konzentration auf nur einen Sinn – in diesem Fall den Geruchssinn – erreicht man es, seine Aufmerksamkeit zu bündeln und diesem einen Sinn nachzuspüren. Ein Erlebnis von enormer Vielfalt und Intensität, das ein Kaleidoskop der Gefühle auslöst. „Das liegt daran, dass die Nase direkt mit den beiden ältesten Zentren unseres Gehirns verbunden ist, dem Gedächtnis und dem Emotions-Zentrum. Deshalb werden das Gefühl, das ich in dem Moment empfinde, wenn ich einen Duft rieche, die Bilder, die ich in dem Moment sehe, und die ganze Situation, in der ich mich gerade befinde, zusammen mit diesem einen Duft abgespeichert“, sagt Professor Hanns Hatt. Der Biologe und Mediziner erforscht am Lehrstuhl für Zellphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum Gerüche.

„Ob der jeweilige Duft in uns wohlige Herbstgefühle oder eher negative Bilder und Emotionen aufsteigen lässt, hängt entsprechend damit zusammen, ob wir diesen bestimmten Duft zusammen mit einer positiven oder einer negativen Erfahrung im Gedächtnis hinterlegt haben. Dufterlebnisse sind also generell sehr individuell.“

So unterschiedlich die Gefühle auch sind, die von Herbstdüften ausgelöst werden, so sorgen sie doch alle für ein intensives, wahrhaftiges Erleben. Diesbezüglich ist die herbstliche Natur ein wahres Paradies – und zwar für alle Sinne. Wer sich auf sie einlässt, beginnt nicht nur den würzigen Duft des Herbstwaldes zu riechen, er hört auch die heilsamen Klänge der Natur, die von einem leisen Rauschen und Zwitschern durchdrungen ist, und beginnt den frischen Wind im Gesicht zu spüren oder beim Gehen den weichen Wiesenboden unter seinen Füßen zu fühlen. Der ganze Körper erwacht, wenn man die umgebende Natur bewusst mit seinen Sinnen wahrnimmt.

Immer der Nase nach

Gerade für die Nase bedeutet diese bewusstere Wahrnehmung eine Meisterleistung. „In der obersten Etage unsrer Nase sitzt die sogenannte Riech-Schleimhaut, die mit etwa 20 Millionen Riechzellen bestückt ist. Jede Zelle ist auf bestimmte Düfte spezialisiert. Wenn sie ein entsprechendes Duftmolekül erkannt hat, erzeugt sie ein elektrisches Signal und schickt es über die Nervenbahnen an das Gehirn. Das signalisiert uns Moosgeruch oder Wilder Wein“, sagt Professor Hatt. „Dabei haben uns jüngste Forschungen gezeigt, dass bewusstes Riechen das wirkungsvollste Gehirnjogging ist. Ein Duft und längst vergessene Erinnerungen stehen plötzlich lebendig vor unserem inneren Auge. Dieser Effekt aktiviert wichtige Teile des Gehirns.“ Manchmal ist dafür ein wenig Übung nötig, denn die Fähigkeit, mannigfaltige Gerüche wahrzunehmen, lässt mit dem Alter nach. Mit etwas Training für den Geruchssinn lässt sich da aber gegensteuern. Indem man zum Beispiel jeden Tag bewusst an duftenden Dingen riecht. Etwa an verschiedenen Früchten wie Brombeeren, Hagebutten, Sanddorn oder Schlehen die einen im Herbst mit ihren wunderbaren Düften zu unvergesslichen Sinneserlebnissen einladen. Erlebnissen, die einen nachhaltig bereichern. Denn immer, wenn man in einen unmittelbaren sinnlichen Kontakt mit der Umwelt tritt, erfährt man ihre einzigartige Dynamik, ihre Lebendigkeit. Eine Erfahrung, die Lebenskraft und Lebensfreude zu wecken vermag.

Einfach mal bewusst riechen

Der Herbst riecht nach Moos, herben Holznoten, Laub, vermischt mit Kastanien. Nach kräftigem Eichenholz, würzigen Sternanis, nach einer frischen Zitrus- oder Kräuternote. „So vielfältig sich die Natur im Herbst auch zeigt, so sind es doch unsere Erinnerungen an erlebte Momente in dieser Jahreszeit, die entscheidend dafür sind, ob wir den Duft mögen“, sagt der Geruchsforscher Professor Hanns Hatt.

Das macht gute Laune

In der Hierarchie der Sinne steht beim Menschen das Sehen an erster Stelle, weshalb es vielen leichter fällt Gesehenes zu beschreiben und in Worte zu fassen als beispielsweise einen Geruch oder ein Geräusch. Für intensive sinnliche Erfahrungen sind aber gerade Riechen, Fühlen und Hören so bedeutsam. „Genauso wie Gerüche, können auch Klänge unsere Lebensfreude steigern“, sagt der Neurologe und Psychiater Matthias Krohn. „Über unser Gehör gelangen sogar Botschaften in unser Gehirn, die uns Ausdauer und Kraft verleihen, wie Studien über die Wirkung rhythmischer Musik eindrucksvoll zeigen.“

Sinnliche Wahrnehmungen können Quellen von Wohlgefühl und Genuss sein, durch sie lässt sich die psychische wie körperliche Befindlichkeit verbessern. „In der Psychotherapie werden deshalb die Sinne als Zugänge zur Seele zunehmend entdeckt“, sagt der Neurologe. „Die Sinne sind einfach unser Tor zur Welt. Mit ihnen stellen wir Kontakt her – zu uns selbst, zu anderen Menschen und zu der komplexen Welt um uns herum.“ Dabei nimmt das zwei Sinne vereint. Der Gleichgewichtssinn organisiert den Körper in der Bewegung, der Hörsinn hingegen öffnet die Weite des Raumes, öffnet einem die Welt. Dabei haben Ohren eine beträchtliche Hörreichweite und erstaunliche Flexibilität. So reichen die tiefen Töne einer großen Glocke oft Dutzende von Kilometern weit, und man vernimmt den Donner eines Gewitters genauso wie das Flüstern der Bäume.

Gerade Naturgeräusche sorgen für Abwechslung zwischen einfachen und komplizierten Klangreizen, zwischen lauten und leisen, nahen und fernen. „Beim Hineinhorchen in die Natur lernen wir wieder zu staunen, eine Stimmung, in der das Gehirn in einen Ruhemodus versetzt wird und wir innehalten“, sagt Matthias Krohn. „Und während wir beim Hineinhorchen in die Natur die Zeit vergessen und das Gefühl von Frische und Verbundenheit genießen, verbessert sich der Austausch von Botenstoffen in unserem Gehirn und treibt die Produktion von Glückshormonen an. Dadurch stellt sich wie von selbst gute Laune ein.“

Vielleicht fühlt man sich deshalb so sehr in Balance nach einem Horch-Spaziergang. Schenkt einem doch die herbstliche Geräuschwelt ein wohliges Gefühl von innerer Ruhe. Zudem lehrt sie jeden die Kunst der Hingabe. Diese bedeutet, den gewöhnlichen Dingen so viel Aufmerksamkeit zu schenken wie dem Außergewöhnlichen. Erst dann nämlich nimmt man das Klangwunder des Herbstes wahr und spürt seine entspannende Wirkung. Krohn: „Naturgeräusche können uns regelrecht besänftigen. Weil uns das Zwitschern der noch immer singenden Blaumeise wie auch das herbstliche Blätterrauschen zum aktiven Zuhören einladen. Das macht den Kopf frei und wirkt wie eine erfrischende Stressbremse.“

Auf einem Barfußpfad schuhlos im Wald zu spazieren, ist ein besonderes Erlebnis. Foto: barfuss-junge.de

Warum Barfußgehen die Psyche und das Immunsystem stärkt

Von der Herbstsonne gewärmte Steine, feuchter Sand, getrocknete Gräser oder poröse Baumrinde – den Herbst kann man auch spüren und damit die sensorischen Sinne trainieren. Zum Beispiel durch Barfußgehen. Ein sinnliches Naturerleben, das sich gleichermaßen positiv auf die Psyche wie auch auf das Immunsystem auswirkt. „Unser Körper und unser Geistbrauchen Phasen der Stille, weshalb wir uns regelmäßig eigene Ruheinseln schaffen sollten“, sagt der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Matthias Krohn. „Und sinnliche Naturerlebnisse befreien unser Gehirn von der Reizüberflutung, der wir im täglichen Leben ausgesetzt sind.“

Ein Garten ist immer auch ein Garten der Erinnerung. Im Garten riecht es, es gluckert und raschelt, und es gibt auch jede Menge zu spüren. Dabei sind Erinnerungen, die wir durch unseren Tastsinn erworben haben, für immer im Gehirn abgespeichert. Wie es sich zum Beispiel anfühlt, barfuß über einen frisch gemähten Rasen zu laufen oder die am Boden liegenden Blüten einer Pflanze. Gleichzeitig erfährt man beim Barfußgehen Wachstum und entdeckt ständig Neues, Veränderungen der Natur, die jede Jahreszeit mit sich bringt.

Der hoch entwickelte Tastsinn der Fußsohlen versorgt das Gehirn nämlich mit Informationen, die für die Naturverbundenheit wichtig sind. Man spürt Wärme und Kälte, die Spröde eines ausgetrockneten Bodens oder die Frische belebender Feuchtigkeit. Diese taktile Wahrnehmung der Natur macht das Gehirn hellwach, denn die geistige Aktivität des Menschen ist von der Liebe zum Lebendigen bestimmt. So rät auch Matthias Krohn seinen Patienten, häufiger mal die Schuhe auszuziehen und die Natur barfuß zu erkunden. „Barfußgehen ist die natürlichste Form des Gehens. Und eine, die unsere Sensibilität enorm stärkt. Immerhin werden beim Barfußgehen etwa 70.000 Sensoren unter der Fußsohle dazu angeregt zu fühlen. Wie fühlt es sich an, auf unterschiedlichen Untergründen zu gehen? Dieses Bewusstsein gilt es zu entwickeln. Das hilft sogar gegen Stress, denn durch die Berührung mit dem Boden wird der Fuß geerdet.“

Sobald man die Schuhe auszieht, wird man herausgefordert, die Umgebung und den Körper neu wahrzunehmen. Wie ist der Hintergrund beschaffen? Gibt es Hindernisse wie Wurzeln, Unebenheiten, Steine? Wie kommen die Füße damit zurecht? Krohn: “Weil wir in eine gesteigerte Aufmerksamkeit gelangen, verändert sich unsere Wahrnehmung. Wir erfassen den Naturzauber, der unsere Sinne schult, und spüren, dass er uns eine Atmosphäre schenkt, die beruhigt.“

Warmer Sand, Baumrinde, Gräser – den Herbst kann man beim Barfußgehen auch spüren und damit die sensorischen Sinne trainieren. Mehr noch: Barfußgehen erdet einen, weil man dabei eine tiefe, oft neue Verbindung zur Natur der Umgebung erfährt und damit auch zu sich selbst.

Ulrike Fach-Vierth

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