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Leben im Pflegeheim: „Macht euch um mich keine Sorgen“

Seniorin Rosemarie John ist vor dem Pflegeheim mit Leiterin Kathrin Meißner zusammen zu sehen.
Auch mit der Hilfe von Leiterin Kathrin Meißner (r.) hat sich Rosemarie John im Seniorenheim "Am Gorbitzer Hang" eingelebt. Foto: Sven Ellger

Dresden – Gestern war wieder einer dieser Tage, an dem sie kaum zum Durchpusten kommt. Erst ging es in die luxuriöse Badewanne, die sie jedes Mal aufs Neue zum Staunen bringt, dann im Rollstuhl eilig in die Hauskirche. Anschließend folgten Therapien und ein schnelles Mittagessen, bevor Rosemarie John nachmittags von Tochter Iris abgeholt wurde.

Manchmal schreibt die 81-Jährige kleine Wunschlisten, mit den Dingen, die sie gerade braucht. Da der Stauraum in ihrem Pflegeheim-Zimmer begrenzt ist, werden Sommer- und Winterkleidung regelmäßig ausgetauscht. Auch bei anderen Anliegen ist Tochter Iris schnell mal da. Von ihrer Wohnung in Löbtau aus hat sie es zum Glück nicht mehr so weit, wie früher bis nach Leppersdorf im Landkreis Bautzen, wo ihre Mutter Rosemarie noch bis vor zehn Monaten in einem alten Bauernhaus allein in einer Wohnung wohnte. Als es ihr körperlich zunehmend schlechter ging, entschied die Familie im vergangenen Frühjahr gemeinsam, das Angebot des ASB-Seniorenheims „Am Gorbitzer Hang“ in Dresden anzunehmen.

Seniorin Rosemarie John geht mit ihrem Rollator vor dem Seniorenheim spazieren im Park.
Ein Spaziergang im Park hinter dem Seniorenheim ist für Rosemarie John eine willkommene Abwechslung. Foto: Sven Ellger

Hier lebt die 81-Jährige nun, und irgendwie ist es für sie ein beruhigender Gedanke, dass auch hier nicht jeder Tag gleich abläuft. Sie mag jetzt nicht mehr die Rosi von nebenan sein, sondern einer von 243 Bewohnern eines Seniorenheims, doch sie hat nicht nur ihre Kleidung und ihren Rollator mitgebracht, sondern genauso ihre Lebensfreude und ihren ziemlich einmaligen Humor.

Ihr Fernseher kommt auch von zu Hause. Neulich hat Rosemarie John mal bis Mitternacht „Riverboat“ im MDR geschaut, weil dort der Modemacher Uwe Herrmann zu Gast war. Den kennt sie schon, seit er ein Baby war. Herrmanns Großvater wohnte gleich auf dem Grundstück nebenan in Leppersdorf. In seinem Teich lernte Rosemarie John einst das Schwimmen. Der Kontakt zu Uwe Herrmann sei nie verloren gegangen. „Bis heute sagt er zu mir Mutter“, merkt sie ein wenig stolz an.

Über das Leben ihrer echten Kinder und Enkel ist Rosemarie John stets gut informiert. Jeden Tag bekommt sie über WhatsApp die neusten Bilder auf ihr Smartphone geschickt, das sie als eine der wenigen Bewohner im Heim ausgiebig nutzt.

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„Diese technische Entwicklung ist schon bemerkenswert“, sagt sie und denkt unweigerlich an ihre ersten Schreibmaschinen, mit denen sie zunächst in der Lehre und dann auf Arbeit zu tun hatte. „Das können sich die jungen Leute heute ja gar nicht vorstellen.“ 45 Jahre lang war Rosemarie John als Sekretärin im Radeberger Krankenhaus angestellt. Ihre Leidenschaft für die Stenografie würde sie auch heute noch gern weitergeben, aber da macht sie sich keine falschen Hoffnungen. „Die Leute haben doch jetzt alle Diktiergeräte und brauchen das nicht mehr.“

Alles im Leben hat seine Zeit. Dass die Zeit in Leppersdorf vor ihrem Tod zu Ende gegangen ist, beschäftigt sie nur noch selten. Noch hofft sie, dass irgendwann ihre Enkelin in die alte Wohnung im Bauernhaus einzieht und sich so die Lücke schließt, die sie mit ihrem Auszug hinterlassen hat. Aber da will sie sich nicht einmischen.

Schildkröten-Dame Kurti im Minizoo des Seniorenheims macht es vor: Mit Entschleunigung lässt sich ein langes Leben genießen. Foto: Sven Ellger

Es besteht kein Zweifel: Rosemarie John ist angekommen in ihrem neuen zu Hause. Das schafft längst nicht jeder Neuankömmling, und schon gar nicht so schnell. In diesem Jahr kamen erschwerend die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hinzu. Den Speiseraum im Erdgeschoss hat die 81-Jährige bis jetzt nur geschlossen erlebt.

Den meisten Kontakt hat sie zu den Pflegekräften. Die gegenseitige Wertschätzung ist groß. Das ist bei jedem Besuch zum Bettenmachen, Spritzen oder Durchwischen spürbar.

Erste zarte Bande zu ihren Mitbewohnern im Wohnbereich B in der dritten Etage konnte Rosemarie John zwar auch schon knüpfen, doch Kaffeekränzen sind nicht unbedingt ihre Welt. „Manche brauchen immer Action. Das brauche ich nicht. Ich kann auch so leben und es tut auch gut, mal nichts machen zu müssen.“ Außerdem gebe es in der Nachbarschaft auf der Etage viele „Lieger“, die gar nicht mehr mobil seien.

Langweilig wird es ja trotzdem nicht so schnell, und wenn man einfach mal nur aus dem Fenster sieht und den Sonnenaufgang über der Stadt genießt. Für Bastelstunden und Sport ist sie auch zu haben. „Das ist doch ein schöner Ort, um alt zu werden“, resümiert Rosemarie John.

Bei allem Rund-um-Service im Seniorenheim achtet die Neu-Dresdnerin auch darauf, selbst so aktiv zu bleiben, wie es ihr eben noch möglich ist. „Inzwischen habe ich endlich wieder die Kraft, allein den Hügel im Park hochzulaufen“, sagt sie. Ein kleiner Erfolg, der sie wirklich freut. Die Herausforderungen des Alltags sind seit diesem Jahr andere, aber das ist okay für Rosemarie John. „Es war die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit“, sagt sie und lächelt. „Macht euch um mich mal keine Sorgen.“

In der Serie „Der letzte Umzug“ begleiteten wir die 81-jährige Rosemarie John bei ihrem Einzug ins Seniorenheim. Ihr Leben begann in einem alten Bauernhaus in Leppersdorf. Dort hätte es eines Tages auch enden können, wenn Rosemarie John nicht bereit gewesen wäre, diese folgenschwere Entscheidung zu treffen. Diese Serie endet hier.

Henry Berndt

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

Ein Leben im Seniorenheim – Rosemarie John ist jetzt ein Teil dieses Mikrokosmos. In den kommenden Wochen wollen wir sie begleiten, ihre Ängste, Hoffnungen und Pläne kennenlernen, aber auch ihre Geschichte, die sie nach acht Jahrzehnten hierhergeführt hat, in das ASB-Seniorenheim „Am Gorbitzer Hang“.

Seien Sie neugierig auf die nächsten Geschichten, die wir fortlaufend an jedem Donnerstag veröffentlichen werden. Klicken Sie auf die Links der vergangenen Artikel der Serie, sollten Sie eine Geschichte von Rosemarie John verpasst haben!

Teil 1: „Rosemaries erster und letzter Umzug“

Teil 2: Leben im Pflegeheim: „Ich wollte immer in die Stadt“

Teil 3: Leben im Pflegeheim: „Zu Hause wäre ich nur eine Last

Teil 4: Leben im Pflegeheim: „Spagat wäre nicht zu stemmen“

Teil 5:  Leben im Seniorenheim: „Der letzte Umzug ist ein großer Schritt“

Teil 6: Leben im Seniorenheim „Genieße es, mal rauszukommen“

Das war der letzte Teil unserer Serie. Empfehlen Sie diese Serie weiter im Freundes- und Familienkreis!

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