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Einfach mal offline

Cartoon Hirn explodiert
Gewitter im Hirn, starker Stress, zu viele Informationen: Wenn der Kopf explodiert, sollte man offline gehen und lieber mal die Seele baumeln lassen. Foto: Vector Tradition

Deutschland – Gegen zu starke Informationsflut und Ablenkungen und damit einhergehender Abgeschlagenheit und Konzentrationsschwäche lässt sich etwas tun. Der Neurologe Volker Busch weiß, wie jeder seine Kreativität und Gedächtnisleistung verbessern kann.

Prof. Dr. Volker Busch ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik Regensburg.

Wir haben den Experten gefragt:

Professor Busch, täglich erreicht eine Unmenge an Informationen das Gehirn. Was passiert dort damit?

Das kommt auf die Art der Nachricht an. Unser Gehirn erreichen Millionen Informationen, die keine Bedeutung haben, etwa das Rauschen des Windes in den Bäumen. So etwas löscht das Gehirn in der Regel sofort. Anders ist es bei Informationen, die einen Apellcharakter haben und etwas von uns wollen, etwa der Newsfeed oder das Handy, das neue Nachrichten meldet. Diese Informationen lösen in uns etwas aus – und verlangen nach einer Reaktion.

Die meisten Menschen erhalten viele Nachrichten. Ist das ein Problem für das Gehirn?

Die Zahl der Nachrichten ist für das Gehirn eigentlich kein Problem, denn es ist sehr leistungsfähig und hat eine große Speicherkapazität. Das Problem sind die Botschaften, die damit verbunden sind. Sie können einen Menschen gedanklich oder seelisch überfordern. Wenn wir uns keine Zeit geben, sie zu verarbeiten, kann das negative Folgen haben.

Welche Folgen meinen Sie?

Das Gehirn büßt wahrscheinlich an Leistungsfähigkeit ein. Die Folgen können weniger intensive Wahrnehmungen, eine reduzierte geistige Verarbeitungstiefe und ein schlechteres Gedächtnis sein. Auch Müdigkeit, Erschöpfung und Konzentrationsprobleme treten häufig auf.

Können wir unser Gehirn trainieren, damit es mehr aufnehmen kann?

Es geht nicht darum, das Gehirn zu trainieren. Die meisten können sich eigentlich gut konzentrieren und haben keine Gedächtnisprobleme. Das Problem sind die Störungen. Selbst der konzentrierteste Mensch ist weniger leistungsfähig, wenn die Zahl der Ablenkungen groß ist. Über das Smartphone kommen ständig Informationen, die ablenken und dazu führen, dass wir die Botschaften der eigentlichen Arbeit nur bruchstückhaft wahrnehmen und zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her wechseln.

Warum lassen wir uns durch digitale Medien ablenken?

Die rasche Hinwendung zu einer Nachricht ist ein natürlicher Impuls. Dabei wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Bei einer neuen Information schüttet der Körper das Hormon Dopamin aus, das uns einen Energiestoß gibt. Dazu kommt, dass viele Informationen besonders reizvoll wirken, da sie an uns persönlich gerichtet sind und vom Gehirn als wichtig eingestuft werden.

Funktioniert Multitasking, etwa wenn man mehrere Medien gleichzeitig nutzt?

Multitasking kann funktionieren, wenn das Gehirn zwei Dinge gleichzeitig machen muss, die unterschiedlicher Natur sind, wie stricken und einen Film ansehen. Für die eine Tätigkeit benötigt man geistige Kapazitäten, für die andere motorische. Wenn man aber fernsieht und mit dem Tablet shoppt, ist das schwieriger, weil beides die geistigen Fähigkeiten verlangt. Oft macht man zwei Dinge gleichzeitig, um effektiver zu sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Unterm Strich braucht man für jede Aufgabe länger und macht mehr Fehler.


Buchtipp


Prof. Dr. Volker Busch ist Autor des Bestsellers „Kopf frei! Wie Sie Klarheit, Konzentration und Kreativität gewinnen“. Informationen finden Sie auch auf drvolkerbusch.de.

In Ihrem Buch „Kopf frei!“ schreiben Sie von der „tiefen Stunde“, um die Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung zu fördern. Was genau meinen Sie damit?

Konzentration kann nur gelingen, wenn man in einer Aufgabe versinken kann. Dazu müssen die Störquellen reduziert werden. Ich persönlich nehme mir eine Stunde des Tages, das ist meine tiefe Stunde. Ich ziehe mich zurück und bin für niemanden erreichbar. In dieser Stunde beschäftige ich mich intensiv mit einer Aufgabe und bin extrem fokussiert und dadurch sehr leistungsfähig.

Hat das auch langfristige Effekte?

Wenn man regelmäßig eine tiefe Stunde in den Alltag integriert, kann das langfristig die Leistung des Gehirns, die Merk- und Konzentrationsfähigkeit verbessern. Wenn man dauerhaft unkonzentriert ist, kann das auch andere Ursachen als die Informationsflut über das Smartphone haben. Dann würde ich dazu raten, sich an den Arzt zu wenden.


„Selbst der konzentrierteste Mensch ist weniger leistungsfähig, wenn die Zahl der Ablenkungen groß ist“, sagt Prof. Dr. Volker Busch.


Wie gelingt es, sich auf die wesentlichen Informationen zu konzentrieren?

Indem man nicht impulsiv auf jeden Reiz reagiert. Wir können unsere Reaktionen steuern, beispielsweise, indem man vor jeder Hinwendung zu einer Information überlegt, ob dies notwendig ist. Je öfter man es übt, umso besser gelingt es auch.

Was bringt Digital Detox? Ist es wirklich notwendig, das Internet für eine Zeit zu meiden?

Ich halte nicht viel davon. Sinnvoller als ein Komplettverzicht ist es, einen guten Umgang mit Informationen in den Alltag zu integrieren. Pause sind wichtig, um die Konzentrationsfähigkeit wiederherzustellen. Ideal sind kurze, häufigere Pausen. Bereits nach 20 Minuten nimmt die

Konzentration ab. Wenige Minuten Pause genügen oft, da der Erholungseffekt in den ersten Minuten am höchsten ist.

Das Gespräch führte Peggy Elfmann.

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

Wussten Sie, …

…dass 47 Prozent der 30- bis 49-Jährigen regelmäßig Facebook nutzen?

…dass es bei den 50- bis 69-Jährigen etwa 28 Prozent sind?

Besser schlafen

Die Nutzung von Smartphones kann dazu führen, dass wir schlechter einschlafen und tagsüber weniger leistungsfähig sind. Besser schlummert, wer sich vor dem Zubettgehen mit etwas anderem als digitalen Medien beschäftigt, eine nächtliche Pause einstellt oder einen klassischen Wecker nutzt.

Tipps zur gesunden Mediennutzung

Weglegen – Die Gedächtnisleistung kann schon beeinträchtigt werden, wenn man das Handy neben sich legt, auch wenn es ausgeschaltet ist. Legen Sie das Gerät auch mal außer Sichtweite.

Distanz – Häufig ist eine innere Unruhe oder Ungeduld, die zum Smartphone greifen lässt. Eine kurze Reflexion („Warum will ich das Handy nehmen?“) schafft zeitliche Distanz und bewahrt vor der Impulsfalle.

Körperhaltung – Bei intensiver Smartphone-Nutzung können sich Beschwerden in Schulter, Nacken oder Rücken entwickeln. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung: aufrecht sitzen und Schultern nicht vorziehen.

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