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Internet – der große Verführer

Senioren sitzt auf Sofa mit Handy und Computer und nutzt das Internet.
Der Aufenthalt im Internet birgt viele Gefahren, die nicht immer leicht zu erkennen sind: Foto: AdobeStock/Tatiana

Berlin – In Deutschland verbringen Menschen laut Statista rund fünfeinhalb Stunden täglich online. Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung beschäftigt sich schon länger mit dem Thema der Manipulation durch das Internet und erforscht aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive, wie sich das individuelle Verhalten kontrollieren und regulieren lässt. Wir, das heißt, die „User“ (Nutzer), werden nämlich durch viele Maßnahmen der Anbieter im Netz beeinflusst, ja sogar regelrecht manipuliert. Der Gesetzgeber versucht, uns zu schützen, wo es in seiner Macht liegt. Aber viele Maßnahmen können wir auch selbst ergreifen.

SZ Lebensbegleiter hat Anastasia Kozyreva, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, um Rat gebeten:

Warum verbringen Menschen so viel Zeit mit Sozialen Medien und fallen auf falsche Sensationsmeldungen herein?

Wir Menschen sind soziale Wesen. Seit jeher ist es lebenswichtig für uns, Informationen aus unserer Gemeinschaft zu bekommen und weiterzugeben. Negative oder auch sehr emotionale Neuigkeiten wecken besonders unsere Aufmerksamkeit, weil sie uns vor potenziellen Gefahren warnen oder uns einen Hinweis darauf geben, wenn andere aus unserer Gruppe Hilfe brauchen. 

Was ist so falsch daran?

Wir merken nicht, wie wir im Internet möglichst viel Zeit auf den Plattformen oder Webseiten verbringen sollen,  damit die Anbieter möglichst viel Werbung schalten können. Dafür nutzen sie die alten Mechanismen, mit denen sie unsere Aufmerksamkeit erregen. Wir hatten keine Zeit, uns daran anzupassen. Deswegen brauchen wir neue digitale Kompetenzen, die den Herausforderungen in der digitalen Welt gerecht werden.

Für wen haben Sie Ihre Empfehlungen entwickelt?

Das Thema geht uns wirklich alle an, egal ob jung oder alt. Kritisches Ignorieren ist einfach zu lernen und sehr wirkungsvoll. Mit diesem Wissen gibt man allen Leuten die Möglichkeit, ihre Aufmerksamkeit für Online-Inhalte bewusst und gezielt einzusetzen.


Wissenschaftlerin vom Max-Planck-Institut im Porträt

Dr. Anastasia Kozyreva arbeitet im Forschungsbereich Adaptive Rationalität des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung  und forscht unter anderem an Strategien zum besseren Umgang mit Online-Medien.

Am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin dreht sich alles um die menschliche Entwicklung und um Bildungsprozesse sowie um die Mensch-Maschine-Interaktion. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Psychologie, Erziehungswissenschaften, Soziologie und Medizin, aber auch Geschichte, Ökonomie, Informatik und Mathematik, arbeiten in interdisziplinären Projekten zusammen. 

Inhaltlich geht es zum Beispiel auch um Fragen, welche gesellschaftlichen Neuerungen und Herausforderungen die Digitalisierung mit sich bringt.


Vorsicht Falle!

Das Internet ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es ermöglicht uns viele Erleichterungen, stellt uns und unsere Gesellschaft aber ebenso vor Herausforderungen. Leider werden nicht alle Technologien nur zum Vorteil der Nutzer eingesetzt. Eine der Fragen, mit denen sich das Forschungsteam befasst hat, bezieht sich auf die Möglichkeit der Selbsthilfe. Was können wir Menschen selbst tun, um uns nicht so leicht verleiten und in unserem Verhalten beeinflussen zu lassen?

Manipulation im Netz erkennen und selbstbestimmt handeln

Besonders auffällig sind folgende vier Arten der Manipulation durch den Aufbau und Inhalt von Webseiten, die das Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Bildunsforschung herausgearbeitet hat.

SZ Lebensbegleiter fasst sie wie folgt zusammen:

1. Während wir auf einer Internetseite verweilen, erscheinen rechts am Rand oder im Text weitere Felder, die uns zum Klicken animieren sollen. So geben wir indirekt Informationen über uns preis (manipulative Auswahlarchitekturen).

2. Suchmaschinen filtern Informationen für uns anhand eingegebener Daten heraus und personalisieren diese auf der Grundlage dessen, was im Internet bereits über uns bekannt ist (Standort, vorherige Suchen/Interessen). So erhalten zwei unterschiedliche Personen höchstwahrscheinlich verschiedene Antworten auf dieselbe Frage. So werden Nutzerpräferenzen ausgewertet. Dies kann manchmal nützlich sein, aber auch Gefahren bergen, wenn es um politische Aussagen geht, die in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.

3. Gerade in der Corona-Zeit haben wir häufig erlebt, dass Meinungen und Gerüchte über Soziale Medien ungefiltert verbreitet werden. So erreichen Verschwörungstheorien und Falschinformationen den Nutzer, der selbst die Gefahr erkennen muss.

4. Es blinkt hier, und da poppt ein Feld auf. Eine Nachricht kommt ungefragt ins Bild. Diese Ablenkungsmethoden sollen unsere Aufmerksamkeit erregen, uns zum Klicken anregen. Immer wieder neue Inhalte sollen uns auf der Seite verweilen lassen. Durch einen Klick geben wir oft unbemerkt mehr über unsere Privatsphäre preis, als wir wollen. Wir vergessen, warum wir eigentlich auf der Webseite waren und bleiben länger als geplant im Internet hängen. Die Werber haben ihr Ziel erreicht. Doch wir können selbst bestimmen!

Die digitale Umwelt beachten und sich vor Fallen schützen

Gerade das Smartphone verführt uns zu Kurzschlusshandlungen. Wir nehmen es häufig zur Hand, weil wir nur kurz etwas nachschauen oder einen Moment der Langeweile überbrücken möchten. Neue Regeln zur Wahrung der Privatsphäre oder die Genehmigung bzw. Ablehnung von „Cookies“, das heißt, digitale Merkzettel von Internetseiten, erfordern viele Klicks von uns, damit wir die Speicherung dieser Daten nicht genehmigen. Diese Zeit sollte man sich nehmen. Und wenn wir dennoch verleitet werden, im Netz hängen zu bleiben und von A nach B zu klicken? Gegen diese Manipulation können wir direkt aktiv werden und einige Vorkehrungen zur Selbsthilfe treffen:

1. Nur wirklich wichtige Apps auf dem Startbildschirm halten wie Kamera, Kalender, Kartendienste oder das Wetter.

2. Apps stummschalten unter „Einstellungen“ und sogenannte Push-Nachrichten, die ungefragt aufpoppen, nicht genehmigen. Dazu Häkchen unter „Einstellungen“ der Apps pro-aktiv entfernen.

3. Frei nach dem Motto „Aus den Augen aus dem Sinn“: Anwendungen wie Spiele, Soziale Medien in einen Ordner verschieben, damit sie nicht gleich sichtbar sind.

4. Informationen hinterfragen und digitale Kompetenz entwickeln: Aus welcher Quelle kommt diese Information? Stimmen die Fakten? Werden diese Inhalte auch auf offiziellen Webseiten ebenso kommuniziert?

5. Wer sich unsicher im Internet fühlt, kann spezielle Kurse besuchen, um Internet-Fallen besser aufzuspüren.

Anette Rietz

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