Grau sei alle Theorie, weiß der Volksmund (und hat es vom ollen Goethe). Aber wie sieht die Praxis aus? Goethe meinte ja im Faust: grün sei des Lebens goldner Baum. Die Azubis vom Radebeuler Weingut Drei Herren gelangten zu einer anderen Interpretation. Clara, Jonas und Omid sahen im vergangenen Jahr die Welt in strohgelb und zwei Farben Rosa, wobei sie die beiden rosafarbigen Versionen als angehende Winzer selbstredend rosé nennen.
„Lehrlingswein“ sagen Clara und Jonas, wenn sie über ihren „Müller Thurgau“, „Perle“ und „Rosé“ reden, die sie als Projekt mit allem Drumherum zwar in Absprache mit den Erfahreneren im Weingut, aber ansonsten rundrum eigenständig gewuppt haben. Also nicht nur aus Trauben Wein zu machen (was auch viel einfacher klingt, als es ist), sondern sich auch um die Etiketten, die preisliche Verortung und das Marketing zu kümmern.
Natürlich steht nicht Lehrlingswein auf dem Etikett: Die Linie bekam den Namen Junges Gewächs. Die drei Azubis – von denen nur noch Clara und Jonas im Betrieb sind, seit Anfang des Monats im dritten Lehrjahr – stehen im Kleingedruckten an der Seite des Etiketts. Der Hauptteil dieses Etiketts greift das Drei-Herren-Motiv auf, allerdings ist die Steinerne Schnecke diesmal bunt und mit eher lockeren Typen drauf. Azubis eben. Die Idee zum Etikett hatten sie auch – und umgesetzt hat es Tanja Beck-Leyh – es ist doch immer praktisch, wenn ein kunstsinniges Weingut die Grafikdesignerin im Haus hat…
Der Ausbau der Weine erfolgte gemeinsam. Das klingt einfach, ist es aber nicht: Es passiert zwar viel im Weinberg, aber im Keller kann man den Trauben bei ihrer Weinwerdung doch den ein oder anderen Kick in gewünschte Geschmacksrichtungen geben. Auch das ist ja ein Grund, weswegen Weine so unterschiedlich schmecken. Die drei Azubis mussten sich also einigen. Trocken als Geschmacksrichtung ist ja beispielsweise ein weites Feld – zwischen (Pardon!) furztrocken, sächsisch trocken und international dry liegen zwar immer nur wenige Prozentpunkte beim Restzucker, aber die wirken sich beim Trinken schon deutlich aus.
„Wir wollten einen guten Basiswein machen – ich glaub’, das ist und ganz gut gelungen“, sagt Clara beim Probieren des Müllers. In der Tat kann sich der Müller-Thurgau schmecken lassen – trinkfreudig ist er. Was die Restsüße anbelangt, hat man sich geeinigt: Jonas, der es eigentlich gerne furztrocken hätte und Clara, die ursprünglich eher die feinherbe Variante bevorzugte, haben sich in der geschmacklichen Mitte getroffen. Und sind beide zufrieden, weil: trinkbarer!
Und dann folgt: „Rosé“. Da kann man natürlich auch wieder über den Restzucker reden – aber vor allem auch über die Farbe: blassrosa oder eher dunkel? Beim Geschmack gibt’s bei diesem Rosé im Laufe der Zeit immer wieder mal Überraschungen: Er ändert sich. Einmal schmeckt er wie Sahne-Erdbeer-Eis, dann total nach Paprika (wobei die Temperatur auch eine Rolle spielt). Überraschend ist das mit dem Paprika ja nicht bei Cabernet Franc…
„Weil es so viel Rosé gab, kamen wir auf die Idee, einen Teil zu verperlen!“, sagt Clara. Die gleichen Trauben wie beim stillen Rosé, aber mehr Süße (da ist, wenn sie zuvor sehr gut gekühlt war, die Flasche ganz schnell leer!) und auch eine andre Farbe – heller. Same same but different, sagen die Engländer zu so was: irgendwie gleich, aber doch irgendwie anders.
Die Trauben für die „Jungen Gewächse“ kommen nicht aus Sachsen, sondern von befreundeten Winzern. Der Cabernet ist in Baden gewachsen, das befreundete Weingut Gravino hatte da eine Charge über. Cabernet Franc haben die Drei Herre ja auch auf sächsischen heimischen Bergen, die Stilistik ist also bekannt. Der Müller wuchs beim Weingut Winkler in der Pfalz, und von da kommen auch die Trauben für dieses Jahr. Die Idee vom vergangenen Jahr war zwar nicht als Langzeitprojekt geplant, aber in diesem Jahr nach dem heftigen Frost im April war das eine sehr willkommene Weichenstellung, aus zugekauften Trauben Wein zu machen. Das ist übrigens unter Winzern ganz und gar nicht unüblich, ehrenrührig ist es auch nicht – und so lange es deutlich deklariert und nicht mühsam kaschiert wird, auch in Ordnung.
In diesem Jahr wird es – wieder vom Weingut Winkler aus Steinweiler in der Pfalz – eine Huxelrebe für Carla („ich will die feinherb bis trocken ausbauen“) und ein Chardonnay für Jonas („ich will den mit Holz und sehr cremig ausbauen“). Da wird man dann unterschiedlichen Vorstellungen der zukünftigen Jungwinzer gut rausschmecken können…
Die Weine der Linie „Junges Gewächs“ vom Radebueler Weingut Drei Herren stehen es in einigen Rewe und Edeka in den Regalen. Sie sind auch im Onlineshop des Weingutes erhältlich – unter dreiherren.de. Dort kosten der „Müller-Thurgau“ 9,50 Euro, der „Rosé“ 10 Euro und die „Perle“ 10,50 Euro.
Unser Autor Ulrich van Stipriaan ist bekennender Genussmensch. Seine profunde Weinkenntnis ist im Podcast „Auf ein Glas“ zu hören. Ebenfalls unter stipvisiten.de finden sich Reiseberichte, Restaurantkritiken, Beiträge über Wein und Winzer.