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Pflegeheim: „Der letzte Umzug ist ein großer Schritt“

Ines Karsten sitzt lachend im Gespräch mit Rosemarie John im Pflegeheim am Tisch.
Ines Karsten ist Manager für Belegung und Pflege im Pflegeheim Am Gorbitzer Hang. Hier gemeinsam mit Rosemarie John. Foto: Sven Ellger

Dresden – Finde ich mich in dem großen Haus zurecht? Wer gibt mir meine Medikamente? Und mit wem kann ich reden, wenn ich mich einsam fühle? Das sind die Fragen, die sich Menschen stellen, wenn sie vor dem letzten Umzug ihres Lebens stehen. Dem ins Seniorenheim.

Im ASB-Heim „Am Gorbitzer Hang“ in Dresden gibt es 243 Einzelzimmer, aufgeteilt in neun Wohnbereiche. „Darin eingestreut sind elf Zimmer für die Kurzzeitpflege“, sagt Ines Karsten. „Außerdem bieten wir im Haus betreutes Wohnen und eine Tagespflege an.“ Die 49-Jährige ist seit Manager für Belegung und Pflege in der Einrichtung und damit die erste Person, mit der Interessenten in Kontakt kommen. Später wird sie deswegen für viele auch zur wichtigsten Vertrauensperson.

Die examinierte Krankenschwester stammt aus Brand-Erbisdorf und wohnt noch immer dort. Eigentlich wollte sie nie in ein Pflegeheim, doch nach ihrer Ausbildung in den 90er-Jahren suchten die Kliniken keine Krankenschwestern. Heute ist sie froh, dass sie ihr beruflicher Weg hier hingeführt hat. Sie kann beraten, sie kann pflegen – und sie kann Senioren bei einem wichtigen Schritt in ihrem Leben begleiten.

Ein Seniorenheim ist kein Hotel

Wenn ein Mensch nicht mehr allein in seiner Wohnung leben kann und eine Betreuung zu Hause durch die Familie nicht möglich ist, dann kommt häufig das Seniorenheim ins Spiel. Täglich erhält Ines Karsten fünf bis sechs Anfragen. Einige kommen per Mail, einige übers Telefon, und manche Familien stehen auch einfach vor der Tür.

Einige reagieren dann überrascht, wenn sie erfahren: Ein Seniorenheim ist kein Hotel, wo man einfach einchecken kann, wenn man die Zeit für gekommen hält. Im ASB-Heim in Gorbitz gibt es eine Warteliste mit derzeit etwa 60 Namen. „Einige stehen schon seit fünf Jahren auf dieser Liste“, sagt Ines Karsten. Sie haben sich vorsorglich anmeldet, auch wenn es momentan noch zu Hause geht. Manche leben seit Jahrzehnten hier im Wohngebiet und wollen nicht mehr weg. Einmal im Jahr werden sie angerufen und nach dem Status Quo befragt.

In manchen Fällen hilft die Warteliste allerdings nichts. Wenn nach einem Aufenthalt im Krankenhaus eine Rückkehr in die eigenen vier Wände ausgeschlossen ist, dann muss es im Zweifel schnell gehen. „Mehr Plätze können wir aber auch dann nicht schaffen“, betont Ines Karsten. Vorausplanen kann sie die Belegung der Zimmer kaum. Erst wenn ein Bewohner verstirbt, kann sie eine weitere Zusage erteilen.

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Inmitten der Corona-Pandemie gab es in diesem Jahr nur wenige Umzüge von zu Hause ins Heim. Die meisten Neuankömmlinge kamen direkt aus dem Krankenhaus. Auffällig ist, dass inzwischen auch immer mehr jüngere Menschen zwischen 70 und 80 den Weg ins Seniorenheim finden.

Nach den ersten Beratungsgesprächen werden die nötigen Unterlagen zusammengesammelt, darunter ein ärztlicher Fragebogen. Wenn das Geld knapp ist, hilft Ines Karten bei der Beantragung von Sozialhilfe. Gemeinsam mit der Pflegedienst- und der Heimleitung wird über die Aufnahme entschieden. „Dann schauen wir auch, in welchen Wohnbereich der neue Bewohner passt. Das hängt vor allem von seinem Gesundheitszustand ab, aber zum Beispiel auch davon, wie kommunikativ er ist.“

Wenn das Zimmer komplett hergerichtet ist, folgt der Einzug. Ines Karsten empfängt den neuen Bewohner, zeigt ihm das Haus und stellt ihm die Mitarbeiter vor.

„Eine sehr liebenswerte Person“

Rosemarie John zog  nach mehreren Krankenhausaufenthalten aus ihrem Haus in Leppersdorf zunächst in die Kurzzeitpflege ins Gorbitzer Heim. Bereits kurz darauf bekam sie die Möglichkeit, dauerhaft in ihrem Zimmer in der fünften Etage bleiben zu dürfen. Sie willigte ein, weil sie ihren Kindern zu Hause nicht zur Last fallen wollte. Über ihre Tochter wurden die Details geklärt.

„Frau John hat sich sehr schnell bei uns eingelebt“, erinnert sich Ines Karsten. „Sie ist eine sehr liebenswerte Person und es macht viel Freude, sich mit ihr zu unterhalten.“ Dieses Kompliment gibt Rosemarie John gern zurück.

Nicht immer geht der Einzug so reibungslos über die Bühne. Vor allem Menschen mit beginnender Demenz hätten oft große Probleme, sich auf die neue Situation einzustellen. Sie können die Tragweite der Entscheidung nicht abschätzen und glauben auch nach Wochen noch, sie seien nur zu Besuch im Heim.

Es gibt es auch Leute, die kommen nie an“, sagt Ines Karsten. „Sie schaffen es einfach nicht, sich in eine neue Gemeinschaft einzuleben und dafür ihre Selbstbestimmung ein Stück weit abzugeben.“ Die zum Teil strikten Besuchsregelungen während der Corona-Pandemie erschwerten die Lage dann häufig noch. Manchmal helfe es dann bei diesen Bewohnern nur, wenn sie die Einrichtung wechseln oder die Familie doch eine Betreuung zu Hause ermöglicht.

Alternativ steht auch noch das betreute Wohnen zur Verfügung, wobei der umgekehrte Weg in die stationäre Pflege häufiger vorkommt. Beim letzten Bewohner, der mit festen Essenszeiten und anderen Regeln nicht klarkam und deswegen auf eigenen Wunsch ins betreute Wohnen umzog, hatte Ines Karsten zunächst Bauchschmerzen. Inzwischen stellt sie fest: Diesmal funktioniert das gut. Für den nächsten Fall muss das aber nichts heißen.

Bis es zu einem Auszug aus dem Heim kommt, versucht Ines Karst alles, um die Menschen für sich und das Haus zu gewinnen. Die obligatorische Eingewöhnungsphase mit vielen Gesprächen sei sehr unterschiedlich lang. Oft frage sie die Bewohner, was sie sich wünschen.

„Man darf nicht vergessen: Für uns ist die Ankunft eines neuen Bewohners Alltag, aber für jeden einzeln ist das ein großer Schritt.“ Ihre Aufgabe sei es, jeden Menschen mit seiner individuellen Biografie abzuholen – manchmal auch im wortwörtlichen Sinne. An der Wohnungstür.

In der Serie „Der letzte Umzug“ begleitn wir die 81-jährige Rosemarie John bei ihrem Einzug ins Seniorenheim. In der nächsten Folge begibt sie sich auf einen besonderen Ausflug: eine Straßenbahnfahrt in ihre eigene Geschichte.

Henry Berndt

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

Ein Leben im Seniorenheim – Rosemarie John ist jetzt ein Teil dieses Mikrokosmos. In den kommenden Wochen wollen wir sie begleiten, ihre Ängste, Hoffnungen und Pläne kennenlernen, aber auch ihre Geschichte, die sie nach acht Jahrzehnten hierhergeführt hat, in das ASB-Seniorenheim „Am Gorbitzer Hang“.

Seien Sie neugierig auf die nächsten Geschichten, die wir fortlaufend an jedem Donnerstag veröffentlichen werden. Klicken Sie auf die Links der vergangenen Artikel der Serie, sollten Sie eine Geschichte von Rosemarie John verpasst haben!

Teil 1: „Rosemaries erster und letzter Umzug“

Teil 2: Leben im Pflegeheim: „Ich wollte immer in die Stadt“

Teil 3: Leben im Pflegeheim: „Zu Hause wäre ich nur eine Last“

Teil 4: Leben im Pflegeheim: „Spagat wäre nicht zu stemmen“

Seien Sie gespannt, wie es weitergeht:

Teil 6: „Genieße es, mal rauszukommen“

Teil 7: „Macht Euch um mich keine Sorgen“

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