Manchmal macht eine Flasche Wein eine lustige Rundreise: Ich trank neulich im PopUp-Restaurant Jens&Friede, das der Dresdner Sommelier Jens Pietzonka (Weinzentrale/Elbzentrale) und der Berliner Koch Friedrich Hofmann (war mal Sous-Chef im tulus lotrek) noch bis zum 13. Juli im Restaurant vom Weingut Schuh betreiben, so einen Wein zum ersten Gang. Normalerweise gibt es den Pinot Funky nämlich nur in der Weinzentrale – aber zum PopUp kam er zurück zum Winzer, der ihn gemacht hat: Matthias Schuh.
„Wir haben da einen Wein, der entwickelt sich so ganz anders als die anderen!“, hatte Matthias Schuh seinem guten Freund Jens Pietzonka bei einem Telefonat im Frühjahr 2023 gesagt. Es war ein 22er Weißburgunder, der da etwas aus der Reihe tanzte – aber in eine eher spannende Richtung.
Also fuhr der Sommelier raus nach Sörnewitz, probierte und stellte fest: Der schmeckt ja so ein wenig wie Zündblättchen! Wer sich mit Wein auskennt, vermutet so etwas ja nicht bei sächsischem Weißburgunder, sondern eher bei Riesling von der Mosel. „Das ist ja funky!“ kommentierte Jens Pietzonka das – und schon hatte der Wein, den es noch gar nicht gab, einen Namen. Und er nahm das ganze Fass, exklusiv.
Weil guter Wein Zeit braucht, bis er erstmals getrunken werden will, gab es den Pinot Funky erstmals Ende Februar diesen Jahres. Zur Weltpremiere war auch Winzer Matthias Schuh gekommen und erklärte den Gästen geduldig, wie es zu diesem Wein kommen konnte: „Der Wein ist unkonventionell!“, sagte er, aber das kann ja jeder sagen. Also was ist anders? Er ist aus den ältesten Reben des Klausenbergs gekeltert (das ist der Weinberg, den nur die Familie Schuh bewirtschaftet – eine so genannte Monopollage). Der Weißburgunder wurde 1993 gepflanzt, die Reben sind also schon etwas älter. Deswegen und weil Matthias Schuh die Weinberge nicht mehr düngt, seitdem er auf dem Weingut das Sagen hat, wachsen die Reben langsam heran. Aber: Die Trauben reifen gut aus, sie werden schnell reif, ohne überreif zu werden.
Gelesen wurden die Trauben recht früh mit nur 78 Grad Oechsle – sie hatten also vergleichsweise wenig Zucker, aber eine gute Säure. Das Ergebnis: Der Wein hat wenig Alkohol (11% Alc). Diese Kombination macht viel aus in Sachen Trinkfluss: Man möchte nach dem ersten Schluck eigentlich gleich den zweiten und nach dem ersten Glas gerne das zweite genießen.
Aber so weit ist der Wein ja noch gar nicht: Ein wenig Kellerarbeit kam natürlich auch noch hinzu, um den Wein funky zu machen! Die Trauben wurden mit den Stielen eingemaischt und am nächsten Tag dann erst abgepresst. Der komplette Trub durfte im Holzfass spontan vergären (also ohne Reinzuchthefe seinen ganz eigenen Geschmack entwickeln) und reifen. Ein Jahr lang hat Schuh den Wein auf der Hefe liegen lassen, dann erst einmal grob abgezogen und mit minimaler Schwefelzugabe abgefüllt. „Wenn der Wein trüb ist, hält die Hefe den Sauerstoff fern“, erklärt er und weiß: Da passiert nix!
Als der Wein dann gut war, war die Zündblättl-Note weg. Aber nicht der Name! Beim PopUp-Menü gibt es den Wein übrigens aus der Magnum-Flasche – und auch das lässt ihn anders schmecken! Das Holz ist ein wenig präsenter als beim Normalo, der Wein ist schlank und elegant und passt so hervorragend zum Auftakt mit Forelle, Gurke, Apfel und Buttermilch. Und nicht nur, weil er so wenig Alkohol hat, möchte man auf der Stelle ein zweites Glas. Dazu muss man aber heftig mit dem Sommelier flirten…
2022 Pinot Funky, Weißburgunder, Sachsen, Weingut Schuh & Jens Pietzonka. Exklusiv in der Weinzentrale: 0,75 l kosten 25 € (fast ausverkauft), Magnum (59 €) und Doppelmagnum gibt es auch noch.
Das PopUp-Lokal „Jens&Friede“ lädt noch bis zum 13. Juli ein, jeweils Donnerstag, Freitag, Samstag im Weingut Schuh (nur mit Reservierung).
Unser Autor Ulrich van Stipriaan ist bekennender Genussmensch. Seine profunde Weinkenntnis ist im Podcast „Auf ein Glas“ zu hören. Ebenfalls unter stipvisiten.de finden sich Reiseberichte, Restaurantkritiken, Beiträge über Wein und Winzer.