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Buchcover
Das Buchcover von "Die Könige von Babelsberg" verspricht Einblicke in das Leben von Fritz Lang. Foto: PR/Rowohlt

Liebe, Tod und Kinoglamour

Wurde sie ermordet? Hat sie sich selbst erschossen? Oder wurde sie das Opfer eines fatalen Handgemenges? Der Tod der Schauspielerin Elisabeth Rosenthal am 25. September 1920 in Berlin wurde nie aufgeklärt. Sie war die erste Ehefrau des Regisseurs Fritz Lang, der mit dem Stummfilm „Metropolis“ und dem Tonfilm „M. Eine Stadt sucht einen Mörder“ Klassiker des Kinos drehte, insgesamt weit über fünfzig Filme. An vielen Erfolgen war seine Drehbuchautorin und Geliebte Thea von Harbou beteiligt. Neben der Regisseurin Leni Riefenstahl wurde sie eine der meistbeschäftigten Autorinnen im Nationalsozialismus.

Blick auf erotisch schillernde Zeit

Vor diesem Hintergrund entwickelt sich der spannende, gerade erschienende Roman von Ralf Günther „Die Könige von Babelsberg“. Der Schriftsteller lebt in Pirna und hat sich einen Namen gemacht mit historischen Romanen über den malenden Arzt Carl Gustav Carus, die reisende Gräfin Ida Hahn-Hahn, den Gartenkünstler Fürst Pückler oder den Mediziner Robert Koch. Kürzere Erzählungen über den Musiker Bach in Dresden, den Dichter Goethe in Karlsbad und die Brücke-Maler in Moritzburg folgten. Mit den Porträts prominenter Figuren erhellt der Autor stets zugleich ein Stück Zeitgeschichte.

Der neue Roman von Ralf Günther. Foto: Rowohlt

Diese Melange macht auch den Reiz seines jüngsten Werks aus. Es beruht auf umfangreicher Recherche. Günther konnte unter anderem im Literaturarchiv Marbach Briefe von Thea von Harbou lesen und das deutsche Filmarchiv nutzen. Sein Roman ist nicht die erste Publikation zu diesem Thema. Über den mysteriösen Tod der Schauspielerin wurde oft spekuliert. Ralf Günther bietet eine neue Erklärung. Seine Lösung des Falls überzeugt mit dem Blick auf die erotisch schillernden Zwanzigerjahre. Als erfahrener Erzähler vermischt der 57-Jährige Faktisches mit Fiktivem. Seine Hauptfigur ist ein junger, beherzter Kriminalkommissar, der sich von der Filmprominenz nicht beeindrucken lässt. Das Gesicht eines Kindes, aber hart wie ein Fels, heißt es über ihn. Dieser Walter Beneken will die Wahrheit herausfinden, um jeden Preis. Dass er selbst dafür zahlen muss, stellt sich erst im Lauf der Geschichte heraus. Sie beginnt mit dem Blutbad in der Wohnung von Fritz Lang und Elisabeth Rosenthal. „Diese Frau war nicht getötet, sie war zerstört worden.“ Detailliert wird der Zustand der Leiche beschrieben. „Blut, Knochensplitter, Hirnmasse, Daunenfedern …“ Ein Assistent des Pathologen wirft sich die Tote ungerührt über die Schulter. „Im Krieg war er Lazaretthelfer. Leichenbuckeln ist sein Geschäft“, erklärt der Pathologe. Mit wenigen Strichen wird die Zeit skizziert.

Spuren werden geschickt verwischt

Dialoge zwischen dem Kommissar und den Zeugen treiben die Handlung voran. Der Regisseur und seine Geliebte berichten von ihrer Arbeit an einem Filmskript, einem Revolver, einem Schuss – und verwickeln sich immer tiefer in widersprüchliche Aussagen. Die Spuren werden geschickt verwischt. Für die Befragungen fährt der Kommissar mehrfach nach Babelsberg, und es ist filmreif, wie Ralf Günther die Atmosphäre der Studios schildert, die Faszination der „wandernden Bilder“, Technik, Glamour und Pappmaché. Hungrige Komparsen fallen als römische Söldnertruppe übers Stullen-Büfett her. Der elegante Star-Regisseur Fritz Lang mit seinem Monokel thront über allem. Dem furchtbaren Tod seiner Frau habe er entscheidende Themen seiner Filmerfolge zu danken, heißt es im Nachwort des Romans, Themen wie Schuld und Tod, Mord und Eifersucht, Gewalt und Liebe. „Die nachfolgenden Werke können auspsychologischer Sicht durchweg als Bearbeitungen dieser Traumatisierung verstanden werden.“

Günther erzählt von der changierenden Beziehung zwischen Kunst und Leben. Oft genug geht eines ins andere über. Starr gezogene Grenzen galten schondamals nicht, auch nicht zwischen den Geschlechtern. Homosexuelle und Trans-Menschen fanden Orte, an denen sie sich trotz Verbots frei bewegen konnten. Dort liegt für den Autor der entscheidende Schlüssel für den Tod von Elisabeth Rosenthal. Die Situation sei ihnen entglitten, gesteht Fritz Lang.

Ein Lob auf die Lüge

Es war ein Unglücksfall, bestimmt der Vorgesetzte des Kommissars – das Glamourpaar der „Goldrauschindustrie“ soll nicht behelligt werden. „Ihre Filmewerden rund um den Globus geschaut.“ Das Verfahren wird eingestellt. Der Kommissar hat guten Grund, einverstanden zu sein. Seine sexuelle Neigung macht ihn erpressbar. Die Wahrheit, meint seine Freundin, verkompliziere das Ganze bloß. „Dagegen lobe ich mir die Lüge, die allen Überlebenden Frieden gibt.“

Die Wirklichkeit setzt unheilvolle Akzente, die der Roman nur anreißt: Elisabeth Rosenthal war Jüdin und wurde in Berlin-Weißensee begraben. Thea von Harbou, als Schülerin im Radebeuler Louisenstift aufgewachsen, stürzte auf einer Treppe zu Tode, als bei den Internationalen Filmfestspielen 1954 „Der müde Tod“ aufgeführt wurde. An diesem Film hatte sie mit Fritz Lang in jenem September 1920 gearbeitet. Die Ehe zwischen beiden wurde 1933 geschieden. Sie schrieb Filmskripte im Geist der neuen Machthaber. Er ging ins Exil.

 Ralf Günther: Die Könige von Babelsberg. Rowohlt/Kindler Verlag, 269 Seiten, 24 Euro

Karin Grossmann

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