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Zu viel Vitamin D in Lebensmitteln?

Natürliche Lebensmittel für gesunde Ernährung: In vielen Stoffen ist bereits reichlich Vitamin D enthalten. Foto: StockAdobe/ airborne77

Sachsen – Mit der dunklen Jahreszeit wächst bei vielen Menschen die Unsicherheit, ob sie ausreichend mit Vitamin D versorgt sind. Denn der überwiegende Teil wird über die Haut durch Sonnenbestrahlung gebildet. Und die ist jetzt rar. Studien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) belegen, dass in den Wintermonaten nur etwa zehn bis 15 Prozent der Deutschen den empfohlenen Wert von mindestens 50 Nanomol pro Liter erreichen – ein Marker im Blutserum, den nur der Arzt bestimmen lassen kann. Die Krankenkassen bezahlen dafür nicht.

Wenn der Körper nicht genug Vitamin D bilden kann, empfiehlt die DGE, täglich 20 Mikrogramm zuzuführen – zum Beispiel in Form von Tabletten oder Nahrungsergänzungsmitteln. Denn das Vitamin ist wichtig für Knochen und Zähne. Doch auch immer mehr Lebensmittel-Hersteller haben das Thema für sich entdeckt. Weil das Sonnenvitamin in nur wenigen Nahrungsmitteln wie fettreichem Fisch in nennenswerten Mengen vorkommt, reichern sie ihre Produkte werbewirksam mit Vitamin D an. Ihren Kunden versprechen sie damit einen Zusatznutzen, für den diese auch gern zusätzlich zahlen.

Verbraucherschützer allerdings sehen das kritisch. Sie fürchten eine unkontrollierte Vitamin-D-Zufuhr und eine Überdosierung, die auch schleichend entstehen kann. Denn der Körper speichert Vitamin D. „Eine langfristig zu hohe Aufnahme kann mit gesundheitlichen Nachteilen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder der Bildung von Nierensteinen verbunden sein“, sagt Birgit Brendel, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen.

Dass die Bedenken nicht unbegründet sind, zeigt ein veröffentlichter Marktcheck der Verbraucherzentralen. Dazu wurden im April und Mai bundesweit 112 Lebensmittel mit Vitamin-D-Zusatz überprüft.

Ergebnis 1: Keine Genehmigung

„Fast zwei Drittel der Produkte hätten gar nicht verkauft werden dürfen, weil sie keine Zulassung haben“, so Brendel. Zwar gibt es in der EU noch immer keine Höchstmengen-Vorgabe. Doch laut einer in Deutschland erlassenen Verordnung ist der Vitamin-D-Zusatz nur in Margarinen und Streichfetten erlaubt.

Wollen Hersteller andere Lebensmittel anreichern, müssen sie einen Antrag beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit stellen und entweder eine Ausnahmegenehmigung oder eine Allgemeinverfügung erwirken. Grundlage für die Genehmigung sind Höchstmengen-Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung. „Bisher wurden die meisten Anträge auf Anreicherung allerdings abgelehnt“, sagt Brendel, „insbesondere dann, wenn das Produkt starken Verzehrsschwankungen unterliegt.“ So sei beispielsweise bei Getränken schwer abschätzbar, wie viel Vitamin D damit aufgenommen werde.

Im Marktcheck lag von 16 überprüften Getränken mit Vitamin-D-Zusatz nur für ein Erfrischungsgetränk aus Schweden eine Genehmigung vor. Angereicherte Säfte wie Hohes C oder Rotbäckchen sind damit aus Sicht der Verbraucherzentralen ebenso wenig zulässig wie „Immun-Smoothies“ und „Ingwer Power-Shots“.

Ähnlich fällt die Einschätzung für die 30 untersuchten Milchersatzprodukte aus, die vorwiegend von der Firma Alpro stammen. Brendel: „Rückfragen beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ergaben, dass der Zusatz für keines dieser Produkte genehmigt ist.“ Auch für die drei erfassten Süßwaren mit Vitamin D gebe es weder eine Ausnahmegenehmigung noch eine Allgemeinverfügung. Trotzdem wurden zum Beispiel Kräuter-Fruchtbonbons mit 12,5 Mikrogramm pro 100 Gramm angereichert. Die Verbraucherschützer halten das angesichts des hohen Zuckergehalts für besonders kritikwürdig: „Zugesetzte Vitamine sollen ungesunde Produkte besser erscheinen lassen.“ Das dürfe nicht sein.

Ergebnis 2: Zu viel des Guten

Für eine Anreicherung mit Vitamin D geeignet hält das Bundesinstitut für Risikobewertung dagegen Lebensmittel, die relativ regelmäßig und in etwa gleichbleibenden Mengen verzehrt werden – neben Margarinen und Streichfetten auch Milch- und bestimmte Getreideprodukte. Die dafür vorgesehenen Höchstmengen sind keine gesetzlichen Vorschriften, aber wissenschaftliche Empfehlungen, die die Gesundheit schützen sollen.

Doch beim Marktcheck stellte sich heraus, dass bei mehr als jedem fünften geeigneten Produkt die Höchstmengen zum Teil deutlich überschritten wurden. So enthielten elf von 19 überprüften Milchprodukten zu viel Vitamin D. Zudem wurden alle mit weiteren Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. „Ein koffeinhaltiges Milchmischerzeugnis der Firma YFood Labs enthielt gleich zwölf Vitamine und 13 Mineralstoffe“, so Brendel.

Auch Frühstückscerealien und Müsliriegel werden gern mit „Gesundem“ aufgepeppt – im Marktcheck im Schnitt mit sieben Vitaminen und ein bis vier Mineralstoffen. Zwei Cerealien der Marke Ovomaltine enthielten neben Vitamin D noch elf weitere Vitamine. Gesund sind sie deshalb aber nicht. Denn fast alle Cerealien bestanden zu mehr als einem Fünftel aus Zucker.

Bezogen auf alle untersuchten Produkte setzten Hersteller am häufigsten Calcium zu (50 Mal), gefolgt von Vitamin B6 (43 Mal), Vitamin E (38 Mal) und Vitamin B1 (26 Mal). Nach Meinung der Verbraucherschützer brauchen die meisten Menschen vielfach angereicherte Lebensmittel nicht.

Ergebnis 3: Es gibt auch Vorbildliches

Eine Allgemeinverfügung erlaubt Herstellern, Streichfett oder flüssiger Pflanzenfettzubereitung bis zu 7,5 Mikrogramm Vitamin D pro 100 Gramm zuzusetzen. „Alle 28 von uns überprüften Fette hielten diese Grenze ein“, sagt Brendel.

Noch relativ neu ist die Methode, Pilze, Bäckerhefe, Hefebrot und Milch mit UV-Strahlen zu behandeln und damit den Vitamin-D-Gehalt zu erhöhen. Die Produkte müssen die Verordnung über neuartige Lebensmittel erfüllen und entsprechend gekennzeichnet sein. „Derzeit werden noch wenige UV-behandelte Lebensmittel angeboten“, sagt Brendel. Bei den Champignons und den zwei Broten im Marktcheck seien die Höchstmengen eingehalten worden.

Forderungen

Die Verbraucherzentralen fordern die Lebensmittelunternehmen auf, sich an die rechtlichen Vorgaben zu halten. Brendel: „Die Überwachungsbehörden sollten das stärker kontrollieren und Produkte, die unzulässig angereichert wurden, aus dem Handel nehmen.“ Zudem müsse die EU-Kommission endlich gesetzliche Höchstmengen für zugesetzte Vitamine und Mineralstoffe festlegen. Solange das nicht geschehe, solle das der deutsche Gesetzgeber tun. Denn eine Beispielrechnung der Verbraucherzentralen belegt, dass ein Kind schnell über den Empfehlungen für Vitamin D liegen würde, wenn es die überprüften Produkte in üblichen Mengen verzehrt hätte.

Der Werbung für Produkte mit Vitamin-D-Zusatz wurden bereits enge Grenzen gesetzt. So sind nur ganz bestimmte Aussagen zum gesundheitlichen Nutzen zugelassen wie zum Beispiel: „Vitamin D trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“ oder „Vitamin D wird für ein gesundes Wachstum und eine gesunde Entwicklung der Knochen bei Kindern benötigt.“ Brendel: „Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass damit angereicherte Produkte eine sinnvolle Ergänzung des Speiseplans sind.“

Katrin Saft

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

Kennen Sie die Höchstmenge an Vitamin D? Für die Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung folgende Höchstmengen in Mikrogramm, bezogen auf je 100 Gramm:

  • Milch und Milchprodukte, einschließlich Käse: 1,5
  • Brot und Getreideprodukte (ohne Feinbackwaren wie Croissants): 5,0 
  • Streichfette und Speiseöle: 7,5
  • Steinpilze, UV-bestrahlt: 10,0
  • Milch, UV-bestrahlt: 3,2
  • Sonstige Lebensmittel: kein Zusatz

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