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Interview Prof. Donix
Ist es Vergesslichkeit, oder schon Demenz? Wer zweifelt, sollte sich bei einem Arzt checken lassen. Foto: Osterland

Professor kämpft gegen Demenz

Dresden – Aus dem Spiel in Großmutters Vorzimmer wurde Ernst: Nach dem Abitur am St.-Benno-Gymnasium in der sächsischen Landeshauptstadt studierte der gebürtige Dresdner Medizin. Während des Studiums entwickelte sich das Interesse für die Psychiatrie. „Das Gehirn ist eines unserer komplexesten Organe und in vielen Teilen noch unverstanden“, erklärt er. Störungen der Funktion dieses Organs haben immer auch eine psychische Folge. Um Menschen zu helfen und das Gehirn und seine Reaktionen tiefer zu ergründen, verbindet Markus Donix seine ärztliche Tätigkeit mit der Forschung – und zwar mit großer Leidenschaft.

Markus Donix ist Professor für Gerontopsychiatrie mit Schwerpunkt Demenzforschung. Er ist tätig an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und ist dort Direktor des Universitäts DemenzCentrum.

Markus Donix ist Spezialist für Gerontopsychiatrie. In der Dresdner Uni-Klinik leitet der Professor das DemenzCentrum.

SZ-Lebensbegleiter hat Professor Donix getroffen und gefragt:

Mit zunehmendem Lebensalter werden das Denken und Handeln, das Fühlen und auch das Urteilsvermögen beeinträchtigt? Warum ist das so?

Hier muss man gut unterscheiden zwischen normalen Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit im steigenden Lebensalter, und krankhaften Prozessen. Es ist zum Beispiel normal, dass wir schwierige Aufgaben mehr üben müssen, wenn wir älter werden, und wir können Tätigkeiten nicht mehr so gut parallel erledigen. Es erscheint dann, dass der ältere Mensch langsamer wird, mehr Zeit braucht für sein Handeln. Sein Fühlen oder das Urteilsvermögen wird dadurch aber nicht beeinträchtigt. Wenn der Eindruck entsteht, dass Urteilsvermögen sei gestört, dann ist es keine Folge des normalen Älterwerdens. Eine Demenz könnte die Ursache sein, aber auch andere Erkrankungen können Denken, Fühlen oder Urteilskraft verändern.

Wenn ich vergesslich werde, ist das schon ein Hinweis auf eine Demenz? 

Oft hört man als Reaktion auf diese Frage, dass jeder Mensch doch einmal etwas vergesse. Das stimmt schon, aber es ist dann eben nur selten und fällt nicht groß auf. Wenn Sie häufiges Vergessen aber als störend empfinden oder es Ihren Freunden und Angehörigen als Veränderung auffällt, dann kann es durchaus ein Hinweis auf eine beginnende Demenz sein. Es gibt aber auch viele andere Ursachen, eine genaue Diagnostik ist also wichtig.

Was ist der Unterschied zwischen einer Demenz und Alzheimer? 

Demenz ist keine eigenständige Erkrankung, sondern beschreibt, dass die geistige Leistungsfähigkeit so eingeschränkt ist, dass man im Alltag Unterstützung braucht. Dieser Zustand besteht mindestens ein halbes Jahr. Viele verschiedene Erkrankungen können zur Demenz führen und die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Ursache. Bei der Alzheimer-Erkrankung schädigen krankhafte Eiweiße die Nervenzellen im Gehirn.

Schon kleinste Veränderungen im Verhalten können auf eine beginnende Demenz hindeuten. Können Sie uns ein Beispiel sagen?  

Neben Gedächtnisschwäche können Orientierungsstörungen ein solches Beispiel sein. Bei sehr kleinen Veränderungen ist es aber viel schwieriger als bei ausgeprägten Veränderungen, eine konkrete Ursache zu bestimmen. Das heißt, eine kleine Veränderung im Verhalten beweist natürlich noch nicht das Vorliegen einer Demenz.

Angenommen, ein Mensch aus meinem persönlichen Umfeld wirkt auf mich verhaltensauffällig. Habe ich eine Möglichkeit, ihn zu prüfen? Oftmals wird zum Beispiel vom sogenannten Uhren-Test gesprochen. 

Der Uhrentest, bei dem Sie Ihren Bekannten bitten, ein Ziffernblatt zu zeichnen und eine bestimmte Uhrzeit einzutragen, ist ein guter Test, aber recht einfach. Wenn jemand den Uhrentest nicht mehr schafft, sind die Alltagsstörungen wahrscheinlich schon recht ausgeprägt. Dann ist sicher kein Test mehr nötig, um die Vorstellung in einer Gedächtnisambulanz zu empfehlen. Es gibt auch andere sogenannte Kurz-Tests. Aber Ihre persönlichen Wahrnehmungen aus dem Alltag sind für die Ärzte in einer solchen Sprechstunde viel wichtiger. Begleiten Sie daher den Menschen zu seiner Vorstellung, wenn Sie Verhaltensänderungen bemerkt haben und diese gut beschreiben können.

Was empfehlen Sie, wenn ein Verdacht auf kognitive Störung besteht?

Wenn eine anhaltende kognitive Störung besteht, also eine Veränderung der Hirnleistung, sollte immer eine Abklärung erfolgen. Kognitive Störungen sind keine normale Folge des steigenden Lebensalters.

Sie sind der Leiter der Gedächtnisambulanz. Der Name klingt ein wenig nach Reparatur. Wenn ich einmal eine Störung entwickelt habe, zum Beispiel eine Demenz, lässt sich diese rückgängig machen? 

Es gibt tatsächlich Ursachen für schwere Hirnleistungsstörungen, die gut behandelbar sind. Beispiele wären die Schilddrüsen-Unterfunktion oder wenn eine Depression zugrunde liegt. Manchmal dauert eine solche Therapie lange oder die Störung kann nicht vollständig behoben werden, aber es ist wichtig zu wissen, dass nicht alle Defizite voranschreiten müssen oder durch Degeneration, also Hirn-Abbau verursacht sind.

Wie kann man einer Demenz vorbeugen? Ich habe gehört, Eisbaden soll helfen. 

Ob Eisbaden hilft, kann ich nicht sagen. Ich würde selbst wohl etwas anderes wählen. Vorbeugung ist möglich und sie muss nicht anstrengend sein. Sollte sie auch nicht, weil Vorbeugung dauerhaft betrieben werden muss, damit sie hilft. Am besten untersucht ist die regelmäßige körperliche Aktivität – zwei bis drei Einheiten pro Woche, zum Beispiel Radfahren, Schwimmen oder Laufen. Sich im Alltag geistig fit zu halten, durch gute Gespräche, Interesse an Neuem und an aktuellen Geschehnissen, ist ebenfalls Vorbeugung und besser als jedes Kreuzworträtsel. Rätsel- und Knobelaufgaben sind eine gute Ergänzung, wenn sie Spaß machen. Aber sie ersetzen nicht den sozialen Austausch und alltagsrelevante Anregung.

In einer Ihrer Veröffentlichungen widmen Sie sich dem Thema „Beurteilung der Fahrtauglichkeit von Patienten mit demenziellen Syndromen. Das lässt den Schluss zu, dass nicht mehr wirklich reaktionsschnelle Menschen am immer temporeicher werdenden Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Ist das nicht eine Gefahr? 

Ältere Menschen sind sichere Verkehrsteilnehmer. Sie können auch viel mit Erfahrung ausgleichen. Eine Demenz führt meist dazu, dass keine Fahreignung mehr besteht. Aber gerade bei leichteren Störungen gibt es Möglichkeiten der Beratung und Überprüfung, sodass die Teilnahme am Straßenverkehr sicher bleibt. In der Veröffentlichung beschäftigen wir uns aber auch damit, was man tun kann, wenn ein fortgeschritten dementer Mensch nicht mehr einsehen kann, dass er das Auto stehenlassen muss.

Wie sollten Freunde und Verwandte mit einem Menschen umgehen, der dement wird? 

Sie sollten zur Diagnostik raten, wenn der Demenzverdacht noch nicht bestätigt oder ausgeschlossen wurde. Wenn im Alltag schwierige Situationen durch Gedächtnisstörungen auftreten sollten, zum Beispiel durch häufiges Nachfragen oder scheinbare Uneinsichtigkeit in die Defizite, ist es wichtig, nicht zu diskutieren oder zu argumentieren. Die Veränderungen sind durch den Erkrankten nicht durch Anstrengung zu beheben und brauchen Akzeptanz und Unterstützung. Bei sehr herausfordernden Verhaltensbesonderheiten, die bei manchen Demenzerkrankungen auftreten können, wie etwa Gereiztheit und Aggressivität, gibt es gute Techniken zum Umgang. Lassen Sie sich vom Arzt beraten, auch zu den Möglichkeiten sozialer Unterstützung oder zu Medikamenten, die bei schwerer Ausprägung zum Einsatz kommen können.

Als Geronto-Psychiater behandeln Sie Depressionen, Demenz und viele Erkrankungen mehr. Derzeit werden bei Ihnen auch Menschen mit ausgeheilter Covid-Erkrankung stationär behandelt. Welche Altersgruppe ist das hauptsächlich und welche Langzeitsymptome beobachten Sie?

Es betrifft auf meiner Station hauptsächlich Menschen, die älter als 70 Jahre sind. Wir sehen nach überstandener Covid-Erkrankung gelegentlich anhaltende Verwirrtheit, ein sogenanntes Delir, aber auch andere überdauernde Störungen der Hirnleistung. Es kann sogar so wirken, als ob eine Demenz vorliegen würde, oft stehen aber auch Abgeschlagenheit und depressive Symptome im Vordergrund. Neben medikamentöser Therapie sind Ergo- und Physiotherapie besonders wichtig um den Genesungsprozess zu unterstützen.

Sie arbeiten im klinischen und ambulanten Bereich und haben Ihr Herz der Forschung verschrieben. Das ist ein enormes Pensum. Wie halten Sie Ihr Gedächtnis fit, dass Sie all diesen Aufgaben und Terminen gewachsen sind?

Durch die verschiedenen Aufgaben wird das Gehirn ja automatisch trainiert, und wenn die Tätigkeiten Freude bereiten und interessant sind, ist der Effekt noch stärker. Ich laufe jeden Tag mindestens fünf Kilometer, meinen Arbeitsweg, weil es mir Spaß macht. Wenn es nebenbei auch gut für das Gedächtnis ist, nehme ich das gern mit.

Das Gespräch führte Katrin Fiedler.

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

Das sollten Sie vor Ihrer 1. Sprechstunde beachten:
Eine Vorstellung ist immer möglich, unabhängig davon wie schwer die bemerkten Leistungsstörungen sind.

  • Sie benötigen einen Überweisungsschein, zum Beispiel vom Hausarzt.
  • Bringen Sie, wenn vorhanden, relevante Vorbefunde mit, zum Beispiel von einer Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns oder von aktuellen Laboruntersuchungen. Ein aktueller Medikamentenplan ist auch sinnvoll.
  • Kommen Sie wenn möglich in Begleitung. Mit Ihrem Einverständnis darf Ihre Begleitung bei der Vorstellung dabei sein und Ihre Sicht auf die Veränderungen berichten.
  • Professor Donix wird  in zahlreichen Video-Zuschaltungen mit seinem Vortrag zum Thema „Demenz und Alterseinsamkeit“ in Sachsen zu erleben sein. Über aktuelle Vortragstermine informieren wir Sie hier auf dieser Seite!

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