Deutschland – Mit dem Älterwerden ist das so eine Sache: Alt werden wollen alle, aber alt sein möchte eigentlich keiner. Nicht ohne Grund suchen Wissenschaftler seit Jahrzehnten nach Wegen, wie Menschen langsamer altern und länger ein gesundes Leben führen können. Aber warum haben mehr als 50 Prozent der Deutschen Angst vor dem Alter? „Das liegt vor allem an den negativen Altersbildern, die in unserer Gesellschaft vorherrschen“, sagt Professor Hans-Werner Wahl, Gerontopsychologe und altenforscher von der Universität Heidelberg „Sie sind häufig mit geistigem und körperlichem Verfall, Krankheit oder Einsamkeit verknüpft. Dabei gibt es gerade bei den Älteren enorme Unterschiede im Hinblick auf die körperliche Verfassung und geistige Leistungsfähigkeit.“
Das bestätigt auch Professor Susanne Wurm von der Universität Greifswald: „Die Einsamkeit wird zum Beispiel von den Medien meist als Thema der Älteren dargestellt. Dabei zeigen die Studien, dass Jüngere viel stärker darunter leiden“, so die Expertin. „Erst ab etwa 85 Jahren nimmt Einsamkeit bei älteren Menschen zu. Häufig wird es aber so dargestellt, als betreffe es alle ab Mitte 60. Hier müssen wir mehr differenzieren.“
Die Zeiten haben sich geändert
Dazu kommt, dass die Menschen aufgrund der guten Gesundheitsversorgung in Deutschland heutzutage länger fit sind. „Laut Studien sind die 65-Jährigen von heute aktiver als die 65-Jährigen in den 1990er-Jahren“, erklärt die Psychologin. „Viele Beschwerden, die früher eher die 65-Jährigen hatten, sehen wir heute erst bei den 75-Jährigen.“ Darum sind sich die Altersstereotypen aufzuräumen und neue, realistische Bilder vom Älterwerden zu entwickeln.
Doch was passiert beim Altern und können wir es beeinflussen? Daran forscht Dr. Peter Tessarz, Biochemiker vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. „Sind wir jung, haben unsere Zellen ein effektives System, um sich selbst zu reparieren, wenn sie zum Beispiel durch Umweltgifte, Nahrungsbestandteile oder UV-Strahlen geschädigt werden“, sagt er. „Mit dem Alter wird der Prozess der Zellerneuerung immer schlechter, und auch die Zellfunktion an sich lässt nach. Es passieren dabei mehr Fehler, was zu Mutationen oder eingeschränkter Organfunktion führen kann“, so der Experte. „Unsere Haut wird zum Beispiel im Laufe der Jahre immer dünner, da die Stammzellen weniger Zellen produzieren können.“ Und auch die Knochendichte nimmt ab etwa 30 Jahren ab: „In den Knochen sind die Stammzellen normalerweise in der Lage, alle Bestandteile des Gewerbes, also Knochen Knorpel und Fett, herzustellen“, sagt der Forscher. „Mit zunehmendem Alter stellen die Stammzellen aber eher Fett als Knochen her – das Osteoporoserisiko steigt.“
„Wer positiver auf das Alter blickt, lebt rund sieben Jahre länger“, sagt Professorin Susanne Wurm.
Strategien für gesundes Altern
Dass diese Prozesse im Körper ablaufen, lässt sich nicht verhindern. Wie schnell das passiert, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. „Zu 20 bis 25 Prozent bestimmen das die Gene“, so Dr. Tessarz. „Sind unsere Eltern und Großeltern sehr alt geworden, steigt auch unsere Chance auf ein hohes Alter.“ Der größte Anteil entfällt aber auf Faktoren wie Umwelteinflüsse, Lebensstil, Stress oder die Psyche. „Hier gibt es einige gut erforschte Ansätze, die den Alterungsprozess verlangsamen können.“
Um die eigene Gesundheit und Lebensqualität möglichst lange zu erhalten, empfiehlt Professor Wurm, in drei Bereichen anzusetzen. Dem Denken, Fühlen und Verhalten. Zum Bereich Verhalten zählen eine gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, der Verzicht auf Zigaretten und Alkohol sowie das regelmäßige Wahrnehmen von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen. „Gerade Rauchen, Alkohol und Übergewicht können Entzündungsprozesse im Körper fördern“, so Tessarz. „Und die beschleunigen den Alterungsprozess.“ Ein effektives Mittel, um die Zellen zu verjüngen, ist laut neuester Forschung das Intervallfasten – also 16 Stunden Pause zwischen der letzten und der ersten Mahlzeit des Tages. „Die Zelle gerät dann in einen Energiemangel, verändert ihren Stoffwechsel und beginnt eine Art Reinigungsprogramm, das ihren schlechter gewordenen Regenerationsprozess ersetzen kann“, erklärt der Biochemiker. Zuvor sollte allerdings mit einem Arzt besprochen werden, ob die Methode infrage kommt. „Ein Versuch mit Mäusen zeigte außerdem, dass jene mit einer Kalorienzufuhr von nur 70 Prozent des Tagesbedarfs länger lebten, gesünder blieben und sogar geistig fitter waren.“ Und auch moderate sportliche Aktivität kann nach Erkenntnissen von Dr. Tessarz die Zellen verjüngen.
Jung bleiben beginnt im Kopf
Der zweite wichtige Aspekt, der sich positiv auf unsere Lebenserwartung auswirkt, ist laut Professor Wurm das Fühlen. „Dieser Bereich umfasst die Selbstfürsorge, aber auch, sich um andere zu kümmern und Mitgefühl aufzubringen. Also letztlich um alles, was unser Leben reichhaltig macht.“ Dem Denken kommt eine besondere Rolle zu: „Wir wissen mittlerweile aus Studien, dass unsere Erwartungen ans Älterwerden nicht nur maßgeblich beeinflussen, wie wir älter werden, sondern auch wie alt wir werden“, so die Expertin. „Optimisten haben demnach bereits ein geringeres Risiko für bestimmte Erkrankungen. Aber Menschen mit einer gewinnorientierten Sicht auf das Alter leben sogar nachweislich länger.“ Und Gründe, sich darauf zu freuen, gibt es laut Professor Wahl schließlich genug: „Wir haben mehr Zeit für uns und mögliche Enkel, können reisen, noch weiterarbeiten, wenn wir möchten oder auch ein neues Musikinstrument lernen. Das hält geistig fit“, so der 67-jährige Experte. „Letztlich steht noch ein gut planbares Lebensdrittel zur freien Gestaltung. Mit einer positiven Einstellung haben wir dann gute Chancen auf ein glückliches, langes Leben.“
Lebenslanges Lernen
Es gilt das Prinzip „Use it or lose it“ („Nutz es oder verlier es“): Synapsen, die häufig beansprucht werden, bleiben erhalten. Überflüssige Verbindungen werden gekappt oder schwächer. Foto: MclittleStock
Fitnesstraining fürs Gehirn
Unser Gehirn ist kein statisches Gebilde, sondern plastisch: Immer wenn wir etwas Neues lernen, bilden sich Synapsen zwischen Nervenzellen neu aus oder verstärken sich – ein Leben lang.
1. Kleinkindalter
In den ersten Lebensjahren wird extrem viel gelernt. Durch die Lernprozesse bildet sich beim Kleinkind – im Vergleich zum Erwachsenen – sehr schnell eine große Menge an Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn. Darum eignen sich Kleinkinder beispielsweise leichter mehrere Sprachen an.
2. Junges Erwachsenenalter
Im frühen Erwachsenenalter ist das Gerhirn voll ausgebildet und am leistungsfähigsten. „Jüngere sind generell besser darin, Informationen schnell zu verarbeiten, und lernen Neues effizienter.
3. Spätes Erwachsenenalter
Wenn wir älter werden, lernen wir langsamer. Die Fähigkeit des Gehirns, Nervenzellen miteinander zu verknüpfen, bleibt jedoch ein Leben lang erhalten. Wer bis ins hohe Alter geistig fit bleiben möchte, kann deshalb sein Gehirn trainieren, zum Beispiel durch neue Hobbys, durch Reisen, das Lernen von Fremdsprachen, Musizieren oder Bewegung.
SZ-Lebensbegleiter Tipp:
Was zählt
Spannende Fakten rund um den Körper, die Gesundheit und das Älterwerden.
- Knapp zwei Drittel der Menschen ab 75 Jahren finden ihren Gesundheitszustand gut oder sehr gut (Umfrage Malteser von 2021). Gründe: eine gute Gesundheitsversorgung und positive Sicht aufs Alter.
- 2020 waren laut Statistischem Bundesamt hierzulande 20 456 Menschen 100 Jahre alt und älter. Der Frauenanteil betrug 80 Prozent.
- 55 Prozent der täglichen Energiezufuhr sollten aus Kohlenhydraten in Vollkorn, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse kommen. Dann ist die Lebenserwartung einer aktuellen Studie zufolge am höchsten. Verringert wird sie dagegen bei allen, die zu viele Kohlenhydrate essen oder aber ganz auf sie verzichten. (Quelle: Lancert Public Health 08/2018)
- Zehn Jahre musizieren hält den Kopf fit. Laut einer US-Studie schnitten die Teilnehmenden in neurologischen Tests am besten ab, die mindestens zehn Jahre Musikunterricht hatten. Das galt auch, wenn sie lange kein Instrument mehr gespielt hatten. Grund: Musizieren trainiert die linke und rechte Gehirnhälfte gleichzeitig.
- 80 Prozent Sättigung – weiter füllen die Bewohner der japanischen Insel Okinawa ihre Mägen nicht. Damit wirken sie Übergewicht entgegen und senken ihr Risiko für Krankheiten. Vielleicht gibt es auf der Insel auch darum so viele 100-Jährige?