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Hand in Hand: Wenn Mama Hilfe braucht, wird für eine gute Pflege gesorgt. Foto: Tierney

Plötzlich ist Mama ein Pflegefall

Wenn die Eltern nicht mehr für sich sorgen können, steht das Leben der Familie erst mal Kopf. Lesen Sie ein Interview mit Dr. Katharina Graffmann-Weschke, Leiterin der AOK Pflege Akademie.

Was kommt auf mich als Angehöriger zu wenn meine Mutter von heute auf morgen zum Pflegefall wird?

Wenn ein Pflegefall plötzlich auftritt wie beispielsweise bei einem Schlaganfall, muss man sich als Familie erst einmal mit einer ganzen Reihe von Entscheidungen auseinandersetzen. Da prasselt sehr viel auf die Angehörigen ein. Wenn klar ist, dass Ihre Mutter sich nach dem Schlaganfall nicht mehr eigenständig versorgen kann, beginnt eine ganz neue Situation für sie selbst und auch für Sie als Angehörige. Am wichtigsten sind jetzt zwei Dinge: Erstens eine gute, begleitende Beratung, zweitens muss man Pflege lernen.

An wen kann ich mich wenden, wenn das alles auf mich einprasselt?

Beim Beispiel eines Schlaganfalls wird Ihre Mutter zunächst einige Zeit im Krankenhaus verbringen. Hier gibt es den Sozialdienst des Krankenhauses als erste Anlaufstelle. Oft können Sie sich dort an Sozialarbeiter wenden: Sie kümmern sich um Fragen rund um die Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt, dazu zählen auch mögliche Rehabilitationsmaßnahmen.

Und was ist nach dem Krankenhausaufenthalt?

Es gibt versierte Ansprechpartner, die Ihnen weiterhelfen – die Pflegeberater der Pflegekasse Ihrer Mutter. Hier können Sie Fragen stellen wie: Was muss ich als Nächstes regeln? Kann die Mutter wieder in ihr Zuhause zurückkehren oder können Sie als Angehöriger die Versorgung übernehmen bzw. wer könnte Sie dabei unterstützen?

Wie geht es weiter, wenn feststeht, dass meine Mutter pflegebedürftig ist?

Mit einer Kurzzeitpflege kann man die Phase überbrücken, in der man die weitere Versorgung der Mutter noch organisieren muss. Ansonsten steht jetzt die Entscheidung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung an. Übrigens entscheidet sich nur ein Viertel der Betroffenen für die stationäre Versorgung in einem Pflegeheim. Wer zu Hause pflegen will, muss das vielleicht mit der Berufstätigkeit vereinbaren. Der Gesetzgeber hat dazu Möglichkeiten der Unterstützung bereitgestellt. Mehr Informationen gibt es bei der Pflegeberatung.

Wer kann mir zeigen, wie ich richtig pflege?

Sie haben einen Anspruch darauf, in Kursen Ihrer Pflegekasse richtiges Pflegen zu lernen. In den Kursen lernen Sie zum Beispiel, wie man Pflegebedürftige kräfteschonend bettet, duscht oder wie man das Essen reicht. Ich empfehle immer, diese Angebote auch wirklich in Anspruch zu nehmen. Denn sie helfen enorm, den Pflegealltag besser zu meistern.

Auch online gibt’s Pflegetipps – ein Beispiel:

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Was lerne ich noch in den Pflegekursen?

Es geht in der Pflege auch um Dinge wie die Begleitung zum Arzt und darum, viele Aufgaben zu übernehmen, die der Pflegebedürftige nicht mehr selbst erledigen kann. Diese Pflegekompetenz muss man erst einmal aufbauen. Dabei darf man nicht vergessen, auf sich selbst aufzupassen. Das ist ebenfalls Bestandteil der Pflegekurse. Dort können Sie im Übrigen auch hilfreiche Kontakte zu anderen Betroffenen knüpfen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.

Welche Hilfen vereinfachen die Pflege?

Als Angehöriger ist man immer in Alarmbereitschaft, weil etwas passieren könnte. Deshalb ist zum Beispiel ein Hausnotrufsystem hilfreich: Das ist ein mobiler Notrufknopf, den Ihre Mutter wie ein Armband oder eine Halskette am Körper trägt. Wenn sie zum Beispiel gestürzt ist oder es ihr nicht gut geht, kann sie ihn einfach drücken. Daraufhin wird eine Notrufzentrale alarmiert, und jemand kommt Ihrer Mutter zu Hilfe.

AOK Pflegeakademie hilft Senioren und Familien im Alltag
Foto: AOK

„Der Wunsch des Betroffenen sollte über allem stehen.

Dr. Katharina Graffmann-Weschke ist Leiterin der AOK Pflege Akadademie Nordost. Sie bündelt Qualifizierungs-, Weiterbildungs- und Schulungsangebote.

 

Was kann ich beantragen, damit ich meine Mutter zu Hause pflegen kann?

Gemeinsam mit Ihrem persönlichen Pflegeberater schauen Sie, was in der aktuellen Situation gebraucht wird: Brauchen Sie ein Pflegebett? Welche wohnraumanpassenden Maßnahmen gibt es? Müssen Sie vielleicht erst mal nur ein nur eine Türschwelle beseitigen? Wie sind die Bedingungen im Bad? Benötigt Ihre Mutter eine barrierefreie Dusche oder einen Badewannenlifter? Die Pflegeberater helfen dabei, Anträge entsprechend dem individuellen Bedarf zu stellen. Und Sie unterstützt Sie auch bei persönlichen Entscheidungen. Zum Beispiel, wenn Sie vor der Frage stehen, ob Sie einen ambulanten Pflegedienst kommen lassen wollen, der unter anderem bei der Körperhygiene hilft.

Welche Schritte muss ich außerdem einleiten?

Wenn es klar ist, dass Ihre Mutter pflegebedürftig ist, stellen Sie einen Antrag auf Pflege. Diesen Antrag kann bereits der Sozialdienst im Krankenhaus stellen, oder Sie stellen ihn bei der Pflegekasse Ihrer Mutter. Auch hierbei hilft Ihnen Ihr Pflegeberater. Anschließend kommt innerhalb weniger Tage der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MD) zur Begutachtung, schaut, wie stark die Pflegebedürftigkeit ist, und stellt den Pflegegrad fest. Die Höhe der finanziellen Unterstützung variiert abhängig vom Pflegegrad und der Entscheidung, ob Ihre Mutter zu Hause betreut oder im Pflegeheim versorgt werden soll.

Werden die Kosten komplett von der Pflegeversicherung übernommen?

Von der Pflegeversicherung wird nicht immer alles übernommen, was an Kosten anfällt. Vielleicht hat Ihre Mutter eine Rente, die ausreicht, um die Differenz zu bezahlen. Wenn nicht, dann trägt das in den meisten Fällen die Sozialhilfe. Nur wenn Sie als leibliche Kinder mehr als 100 000 Euro brutto jährlich verdienen, wird geprüft, ob Sie sich an der Finanzierung beteiligen müssen.

Was steht mir als pflegende Person noch zu?

Es gibt etwa noch die sogenannte Verhinderungspflege. Das heißt, wenn Sie als pflegende Angehörige mal einen Urlaub nehmen oder selbst ins Krankenhaus müssen, dann können auch Verwandte, Nachbarn oder ein Pflegedienst die Pflege übernehmen.

Was passiert, wenn meine Mutter nicht mehr geschäftsfähig ist und keine Vollmachten erteilt hat?

Eine solche Situation ist immer problematisch. Deshalb sollte sich jeder am besten schon vor dem Fall einer Pflegebdürftigkeit um Vollmachten kümmern. So kann man verhindern, dass ein juristischer Betreuer eingesetzt wird. Wenn wir also selbst entscheiden möchten, wie wir im Alter versorgt und gepflegt werden wollen, sollten wir uns frühzeitig Gedanken darübermachen und das regeln. 

Wenn man die Pflege in der Familie nicht auffangen kann, wie finde ich ein passendes Pflegeheim?

Ich empfehle, eine Einrichtung in der Nähe der Angehörigen zu suchen, sodass Besuche leicht möglich sind. Mit dem AOK-Pflegenavigator können Sie Pflegeeinrichtungen in Ihrer Umgebung finden. Ihre Mutter sollte die Entscheidung auch möglichst selbst treffen und sich nicht entmündigt fühlen – auch wenn sie eine beginnende Demenz hat. Sinnvoll ist es, sich frühzeitig verschiedene Pflegeeinrichtungen gemeinsam anzuschauen und vor Ort zu prüfen, wie das „Klima“, die Zimmer, der Umgang mit den Bewohnern, das Essen oder die Hygiene sind.

Das Gespräch führte Ulrike Voss.

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

  • Pflegebegutachtungen – Aus dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen Sachsen ist der Medizinische Dienst Sachsen geworden – mit der Abkürzung MD.
  • Während der Pandemie kommen die Gutachter in der Regel nicht ins Haus, sondern führen ein telefonisches Gespräch.
  • Es ist hilfreich, sich auf die  sehr strukturierten Telefoninterviews gut vorzubereiten.
  • Bitte halten Sie Unterlagen wie Krankenhaus- oder Rehaberichte der letzten zwölf Monate, Medikamentenpläne oder andere ärztliche Befunde bereit. 
  • Nahestehende Personen, die in die Pflege eingebunden sind, sollten möglichst an der telefonischen Befragung teilnehmen.

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