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Darum hat Island 13 Weihnachtsmänner

Zeichnung von einigen isländischen Weihnachtsmännern aus der Folklore. Vier rauschebärtige Männer grinsen.
Der in England aufgewachsene isländische Illustrator Brian Pilkington hat das Buch "Die Weihnachtsmänner - Wie Isländer traditionell Weihnachten feiern" geschrieben und gezeichnet. Foto: Brian Pilkington

Sachsen/Island – In der isländischen Mythologie gibt es viele Trolle, das ist bekannt. Ganz besonders wild treiben es die 13 „Weihnachtsgesellen“, genannt Jólasveinar, die fest zur Weihnachtstradition in Island gehören. Ab dem 12. Dezember beginnen sie mit ihren Streichen bei den Menschen in Island. Jeder hat eine eigene Vorliebe für Späße, für die er von den Menschen einen Spitznamen erhalten hat.

Die etwas andere Weihnachtsgeschichte spielt in Island

Im rauen Gebirge lebt eine Trollfamilie, die es in sich hat. Oberhaupt der Familie ist Mutter Grýla, ein besonders abscheuliches Exemplar unter den Trollen: eine hässliche, böse, alte Frau. Sie haust im Gebirge. Mit ihrem dritten Ehemann, Leppalúði, kommt sie gut aus, denn er ist freundlich, treu und vor allem: Er hält den Mund. Grýla schätzt es nämlich nicht, wenn ihr jemand sagt, was sie zu tun hat. Zum Haushalt gehören außerdem die 65 Söhne Grýlas und ihre große schwarze Katze Jólakötturin. 

Dreizehn der Kinder stammen aus ihrer Ehe mit Leppalúði. Zusammen mit der schwarzen Katze war es ursprünglich die Aufgabe der Jungs, unartige Kinder zu fangen und sie den Kochtöpfen ihrer Mutter zuzuführen, denn ihre Lieblingsspeise sind Menschen. 

Oft ruht Grýla sich über Jahrhunderte aus. Dann bleiben ihre Kochtöpfe kalt. Irgendwann wird sie dann wieder munter. Ausgehungert wie sie dann ist, entfacht sie nach einer solchen Fastenkur ein regelrechtes Höllenfeuer in ihrer Küche, dass die Hitze bis an die Erdoberfläche gelangt – wir Menschen sehen dann einen Vulkanausbruch, so wird es erzählt.

In aus Lava geformte Felsformationen in Island strahlt die Sonne hinein.
Das Lavafeld von Dimmuborgir beim See Mývatn gilt als Heimat der Trolle und Elfen. Foto: Anette Rietz

Andächtige Vorweihnachtszeit? Nicht mit den 13 Weihnachtstrollen

Da sich Trolle nur bei Dunkelheit gefahrlos bewegen können und Sonnenlicht sie zu Stein erstarren lässt, kommen Grýlas Söhne nur an den Tagen vor, wenn die Nächte besonders lang sind und die Sonnenwende vorbei ist. Dann suchen sie die Menschen in ihren Dörfern auf.

Als erster kommt am 12. Dezember Stekkjastaur (Schafsschreck) aus dem Gebirge. Er ist ein dürrer, schlaksiger Kerl und hat es vor allem auf die Milch der Mutterschafe im Stall abgesehen.

Ihm folgt am 13. Dezember Giljagaur (Schaumschlecker). Seine Vorliebe gilt dem Schaum der Milch im Kuhstall. Stúfur (Kurzer), ein kleiner, zierlicher Kerl, macht sich ab dem 14. Dezember über die angebrannten Reste in den Pfannen her. 

Ab dem 15. Dezember ist kein Kochlöffel mehr sicher, denn Þvörusleikir (Löffellecker) schleckt sie alle ab.

Auch die Reste in den Kochtöpfen finden noch einen dankbaren Abnehmer, wenn Pottaskefill (Kesselkratzer) ab dem 16. Dezember unterwegs ist.

Der Schüsselschlecker Askasleikir versucht, ab dem 17. Dezember die Essnäpfe der Menschen zu stehlen und leckt sie dann genüsslich aus.

Spätestens wenn am 18. Dezember Hurðaskellir (Türenknaller) aus dem Gebirge kommt, ist es vorbei mit der vorweihnachtlichen Ruhe. Besonders gesund ernährt sich Skyrgámur (Quarkgierschlund), der sich ab dem 19. Dezember am typisch isländischen Magermilchquark (Skýr) vergreift.

Am 20. Dezember geht es geräucherten Würsten an den Kragen – Bjúgnakrækir (Rauchwursträuber) holt sich seinen Anteil aus dem Rauchfang. Der Fensterglotzer (Gluggagægir) späht ab dem 21. Dezember in die warmen gemütlichen Stuben der Isländer. Er hat es nicht nur auf das Essen abgesehen, sondern liebt alles was glitzert und glänzt.

Unverwechselbares Kennzeichen von Gáttaþefur (Türschlitzschnüffler) ist seine lange, sensible Nase. Er liebt frisches Brot und riecht es schon aus der Ferne, wenn er sich ab dem 22. Dezember auf den Weg macht.

Heute ist besondere Vorsicht geboten! Denn selbst der Weihnachtsbraten bleibt nicht verschont. Am 23. Dezember kommt Ketkrókur (Keulenklauer), er ist ein richtiger Feinschmecker!

Am Heiligen Abend kommt Kertasníkir, der Kerzenschnorrer, zu den Menschen. Auch wenn die für ihn so herrlich leuchtenden Kerzen heute nicht mehr aus Tierfett gemacht werden, kann er es nicht lassen, sie anzuknabbern.

Ab dem 25. Dezember verschwinden die Söhne Grýlas in gleicher Reihenfolge wieder im Gebirge, als letzter verlässt am 6. Januar Kertasníkir die Dörfer.

Woher die 13 Weihnachtstrolle ihre Namen bekamen 

Bei ihrer Suche nach bösen Kindern entdeckten die Söhne Grýlas irgendwann einmal das Essen der Menschen und stellten fest, dass es deutlich besser als der Eintopf ihrer Mutter schmeckt. Die Trolle begannen schließlich damit, bei ihren Ausflügen Essen zu stibitzen und jeder entwickelte dabei besondere Vorlieben. Sie fanden heraus, dass es um die Weihnachtszeit besonders leckeres Essen bei den Menschen gibt. Natürlich blieb den Menschen das Treiben der Jungs nicht verborgen und als sie herausgefunden hatten, wer ihnen das Essen mopste, gaben sie den Trollen Namen, die ihre Vorlieben beim Essen zum Ausdruck bringen.

Einsicht ist der erste Weg zur Besserung

Da die 13 Söhne von Grýla und Leppalúði in ihrem Wesen eher dem freundlichen Vater ähnlich waren, bekamen sie mit der Zeit ein schlechtes Gewissen wegen des fortwährenden Mundraubes. Sie beschlossen also, den Menschen etwas Hübsches zu schenken und legten ihnen nach Trollart schöne große Steine in die Gärten und auf die Wiesen. 

Doch zu ihrem Entsetzen mussten sie feststellen, dass die Menschen darüber keineswegs erfreut waren. So begannen sie schließlich damit, Spielzeug für brave Kinder zu basteln und kamen einer nach dem anderen an den 13 Tagen vor Weihnachten aus dem Gebirge zu den Menschen, um die Geschenke zu verteilen. Die Kinder stellen in Island heute Schuhe vor die Türe oder hängen Socken an die Türklinke. Wenn sie brav waren, finden sie am Morgen kleine Geschenke darin. Böse Kinder finden nur eine Kartoffel im Schuh.

So hat Grýla seit langer Zeit schon kein Kind mehr zwischen die Zähne bekommen und muss sich der Legende nach mit ihrer Katze wieder selbst um das Kinderfangen kümmern. Ihre 13 Lausebengel sind aber inzwischen bei Kindern in Island sehr beliebt und werden jedes Jahr schon sehnsüchtig erwartet. 

Wegen der Geschenke, die sie bringen, werden die Weihnachtstrolle oft für den Weihnachtsmann gehalten. Aus Freude darüber, dass man ihre wahre Herkunft fast schon vergessen hat, kleiden sie sich heutzutage in rote Gewänder, eben wie der gute alte Weihnachtsmann. Deshalb gibt es in Island nun tatsächlich 13 Weihnachtsmänner.

Wie ein Isländer das Weihnachtsfest in Sachsen erlebt

Hafthor Freyr Lindal ist Pädagoge und lebt als Isländer in Deutschland. Er kommt oft nach Sachsen, denn bei Zwickau hat er Familie. SZ Lebensbegleiter hat ihn gefragt, wie er Weihnachten in Sachsen empfindet.

Herr Lindal, was unterscheidet die sächsische Weihnachtstradition von Ihrer Tradition in Island?

Ich bin aus familiären Gründen oft in Meerane. Wenn man die Weihnachtstraditionen in Island mit denen in Sachsen vergleicht, stehen in Island die Feiern für Kinder und vor allem festgelegte Traditionen im Vordergrund. Bei meinem ersten Weihnachten in Sachsen war ich überrascht, dass das Essen nicht bereits durch die Tradition festgelegt war und ich sogar Einfluss darauf nehmen konnte. In Island wird in der dunklen Jahreszeit viel Wert auf die Außenbeleuchtung gelegt. In Sachsen steht eher die Innendekoration in Wohnungen und Häusern im Mittelpunkt. Es ist unter Isländern sogar eine Familientradition, das am schönsten beleuchtete Haus im Ort zu suchen.

Die Geschichte der 13 Weihnachtsmänner klingt für manche Kinderohren in Deutschland vielleicht etwas hart. Wie sehen Sie das?

Ja, sie klingt im ersten Moment etwas angsteinflößend. Im Laufe der Jahre haben die Weihnachtsmänner sich den amerikanischen Kollegen angepasst und treten nun etwas harmloser auf. Wir Isländer nehmen die Streiche aber mit Humor und stellen manchmal Skyr oder eine Kerze neben den Schuh in die Fensterbank. 

Wie werden Grýla und ihre Familie in das Fest integriert?

Im Advent werden bei uns in Island Weihnachtsfeiern abgehalten, bei denen die Kinder um den Tannenbaum tanzen, singen und vom Weihnachtsmann besucht werden. Folgende Anekdote fällt mir dazu ein:

Normalerweise gehören Grýla und Leppalúði zur Tradition des Wahrsagens und sind ausschließlich aus Büchern oder als Figuren bekannt.  Bei einer Weihnachtsfeier in einer Familie wollten die Organisatoren jedoch Schwung reinbringen und haben die gruseligen Eheleute in Verkleidung eingeladen. Grýla stürmte herein, Leppalúði war in Fesseln. Sie begutachtete die schönsten Kinder und überlegte laut, wen sie zuerst verspeisen sollte. Die meisten Kinder begannen jedoch in Chören vor Angst zu weinen. Als schadenfroher Pädagoge muss ich noch heute lachen, wenn ich daran denke. Seitdem habe ich Grýla und Leppalúði nur als leblose Figuren erlebt. 

Welche Traditionen sind in Island ganz anders als in Deutschland?

Es mag bei den kalten Temperaturen schwer zu glauben sein, aber in vielen isländischen Haushalten ist Alkohol, abgesehen von einem isländischen Malzgetränk (ähnlich wie Karamalz), tabu. Beim Weihnachtsfest in Island muss man auf vieles verzichten, was in Deutschland üblich ist. Dazu gehören Glühwein, Weihnachtsmärkte und das wundervolle sächsische Handwerk, das dort nicht vorhanden ist.

Das Gespräch führte Anette Rietz.

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

Mehr über die isländische Volkskunde und die Traditionen und Geschichte erfährt man im Skogar Museum. Das Skogar-Museum in Südisland ist eine Sammlung von mehr als 15.000 regionalen Volkskunstgegenständen, die in 3 Museen und 6 historischen Gebäuden ausgestellt sind. Es liegt eine Minute vom Skogar-Wasserfall entfernt, direkt an der Ringstraße 1, 30 Kilometer westlich von Vík und 150 Kilometer östlich von Reykjavík.

Skogar Museum
Skogasafn 1
Skogar, 861 Südisland

Tel: +354 487 8845, [email protected]

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