Sachsen – Mehr als 48.000 Pflegebedürftige in Sachsen leben in einer stationären Einrichtung. Jeder von ihnen hat vor dem Einzug einen Heimvertrag unterschrieben, in dem Leistungen und Kosten geregelt sind. Verbraucherschützer beobachten aber immer wieder, dass die Verträge nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllen. Rechtsreferentin Micaela Schwanenberg von der Verbraucherzentrale Sachsen erklärt, welche Hilfe sie und ihre Kollegen geben können.
Frau Schwanenberg, gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch auf eine Pflegeberatung durch ihre Pflegekasse. Was unterscheidet Ihr Angebot davon?
Wir bieten eine Pflegerechtsberatung und beraten zu den zivilrechtlichen Vertragskonstellationen. Im Mittelpunkt unserer Beratung stehen Fragen zum Heimvertrag. Dabei handelt es sich um Verträge, die nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz geschlossen werden und die die stationäre Unterbringung von pflegebedürftigen Personen in einer Pflegeeinrichtung regeln. Wir prüfen beispielsweise, ob die Verträge die gesetzlichen Vorgaben einhalten, notwendige Angaben enthalten und ob Kostenerhöhungen rechtmäßig und begründet sind. In Fällen, die unser Beratungsportfolio übersteigen, werden wir Hilfesuchenden Handlungsmöglichkeiten nennen.
Warum haben Sie sich entschieden, explizit eine Pflegeberatung anzubieten?
Das Thema wird allein schon wegen der demografischen Entwicklung in Sachsen und ganz Deutschland bedeutender. Pflegebedürftigkeit trifft immer mehr Menschen, ob persönlich oder als Angehöriger. Wir haben erkannt, dass der Informationsbedarf immens ist. Viele Menschen wissen nicht, wohin sie sich mit ihren Fragen und Problemen wenden können. Dieses Missverhältnis wollen wir auflösen und gern Ansprechpartner und Wegweiser sein.
Immer mehr Pflegebedürftige in Sachsen beantragen die „Hilfe zur Pflege“ beim Sozialamt. Beraten Sie auch dazu?
Perspektivisch werden immer mehr Menschen auf die Leistung angewiesen sein. Ob jemand einen Anspruch darauf hat, ist nach dem 12. Sozialgesetzbuch zu beurteilen. Auf diesem Gebiet beraten wir als Verbraucherzentrale nicht und leisten entsprechend auch keine Unterstützung bei der Antragstellung. Wir helfen Hilfesuchenden aber insofern, als dass wir konkrete Ansprechpartner benennen können.
Helfen Sie auch bei der Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung?
Nein, dabei können wir nicht aktiv unterstützen. Wir übernehmen jedoch gern die rechtliche Prüfung des Heimvertrags.
Worauf ist dabei besonders zu achten?
Der Gesetzgeber hat genaue Festlegungen zu Form und Inhalt von Heimverträgen getroffen. Diese müssen schriftlich geschlossen und dem Bewohner muss ein Exemplar ausgehändigt werden. Der Vertrag muss zudem Art, Inhalt und Umfang der Leistungen beschreiben. Dazu gehören Größe und Ausstattung des Wohnraums, Art und Anzahl der Mahlzeiten sowie Art, Inhalt und Umfang der Pflege- und Betreuungsleistungen. Die für den Bewohner anfallenden Kosten müssen in der Gesamtsumme sowie aufgeschlüsselt für einzelne Leistungen aufgeführt sein. Außerdem muss ein Heimvertrag auf eine sogenannte vorvertragliche Information Bezug nehmen.
Was ist darunter zu verstehen?
Der Betreiber des Pflegeheims muss den künftigen Bewohner rechtzeitig vor dem Abschluss des Heimvertrages schriftlich, in leicht verständlicher Sprache über sein allgemeines Leistungsangebot sowie über die wesentlichen Inhalte der Leistungen, die für ihn in Betracht kommen, informieren. Der Inhalt der vorvertraglichen Information ist bindend, sie muss auch im Vertrag mit fixiert sein. Weicht der Vertrag inhaltlich ab, muss das gekennzeichnet werden.
Und wenn diese Information fehlt?
Dann steht dem Pflegebedürftigen ein Sonderkündigungsrecht zu. Und er kann verlangen, dass der Betreiber seine Informationspflicht nachholt.
Kann ein Heimvertrag eigentlich befristet werden?
Das ist nur möglich, wenn es im Interesse des künftigen Bewohners geschieht.
Sind die meisten Heimverträge Ihrer Erfahrung nach in Ordnung?
Es mangelt oft an einer ordnungsgemäßen vorvertraglichen Information, oder diese korrespondiert nicht mit dem Heimvertrag. Es gibt auch Fälle, da stimmen die zugesagten Eigenschaften der Einrichtung und des Wohnraumes nicht überein. Oder das tatsächliche Leistungsangebot entspricht nicht den vertraglichen Zusagen. In diesen Fällen können dem Bewohner Minderungsansprüche zustehen. Das heißt, es kann gut sein, dass er Geld zurückverlangen oder einbehalten kann. Immer wieder kommt es auch vor, dass ein Heimvertrag eine sogenannte Schuldbeitrittserklärung enthält. Auch hier ist Vorsicht geboten.
Warum?
Damit sichern sich Heimbetreiber ab. Sie verpflichten Angehörige oder den Betreuer, Zahlungsverpflichtungen zu übernehmen, wenn der Bewohner selbst einen bestimmten Betrag schuldig bleibt. Im Rahmen der Vertragsfreiheit dürften solche Beitritte grundsätzlich rechtens sein. Allerdings schafft das Gesetz zum jetzigen Zeitpunkt keine Klarheit, ob diese Praxis tatsächlich rechtmäßig ist oder nicht. Wir weisen auf die Risiken hin und raten dazu, sich Vergleichsangebote anderer Heime einzuholen, die solche vertraglichen Hürden vielleicht nicht verlangen.
Wo wird die Pflegeberatung angeboten, und was kostet sie?
Wir bieten sie sachsenweit in unseren Beratungssstellen an, das heißt in Leipzig, Torgau, Hoyerswerda, Weißwasser, Bautzen, Görlitz, Meißen, Dresden, Chemnitz, Zwickau, Aue, Plauen und Auerbach. Persönlich, telefonisch oder online per Video-Chat. Wer Interesse hat, kann einen Termin online oder unter der Telefonnummer 0341/696 29 29 buchen. Die 60-minütige Beratung kostet 40 Euro.
Das Gespräch führte Kornelia Noack.