Deutschland – Zehn Wochen lang konnte über sechs Arten, die naturnahe Gärten benötigen, abgestimmt werden. 10.933 Gartenfans folgten dem Aufruf der Sielmann Stiftung und beteiligten sich bis 10. Juni 2023. Für die Gartenhummel votierten 4.414 Teilnehmer. Damit gewann bereits das zweite Jahr in Folge eine Wildbiene. „Das starke Votum für die Gartenhummel in diesem Jahr zeigt uns, dass viele Menschen über die Bedeutung der Hummeln als Bestäuber von Pflanzen mittlerweile Bescheid wissen. Hummeln wecken häufig besondere Sympathien, weil sie flauschig sind und als friedfertig gelten. Aber auch das Insektensterben, von dem auch viele Hummelarten bedroht sind, scheint immer stärker in den Köpfen anzukommen“, kommentiert Florian Amrhein, Pressesprecher der Heinz-Sielmann-Stiftung.
Die Aktion, die die Sielmann Stiftung bereits zum 13. Mal durchführt, wurde durch das Naturschutzcenter Rottenburg unterstützt. Auch hier steht die Natur im Mittelpunkt, vor allem der Erhalt der Artenvielfalt und zwar seit 30 Jahren. Die Naturschützer spendeten für Teilnehmer der Abstimmung Sachpreise wie Insektenhotels, Nistkästen und vieles mehr, die auch auf der Internetseite www.naturschutzcenter.de zu kaufen sind.
Damit die Teilnehmer wissen, über wen sie abstimmen, klärte die Heinz-Sielmann-Stiftung auf. Hier sind die Fakten über das Gartentier des Jahres 2023:
Friedfertige Überlebenskünstlerin
Die Gartenhummel gehört zu den häufigen Hummelarten in Deutschland und Europa. Als sogenannter Ubiquist bewohnt sie verschiedenste Lebensräume und fliegt unterschiedliche Pflanzenfamilien als Nahrungsquelle an. Solange sie ein reiches Blühangebot heimischer Wildpflanzen vorfindet, macht sie ihrem Namen alle Ehre und verweilt auch gern in urbanen Gärten.
Mit ihrem extrem langen Rüssel kann die Gartenhummel bis zu zwei Zentimeter tief in Blüten hinabtauchen und kommt so auch an den Nektar besonders tiefgründiger Blütenkelche heran. Das macht sie zu einem wichtigen Bestäuber vieler Wild- und Nutzpflanzen. Auf ihren Sammelflügen legen Gartenhummeln Strecken von bis zu zwei Kilometern zurück. Damit zählen sie zu den ausdauerndsten Langstreckenfliegerinnen im Hummelreich.
Mit einer Körperlänge von etwa 15 Millimetern gehört sie zu den größeren der rund 41 heimischen Hummelarten. Ihr Hinterteil ist weiß bepelzt und der ansonsten schwarze Körper mit drei goldgelben Querstreifen geschmückt. Wer nicht aufpasst, kann die Gartenhummel leicht mit den noch häufiger vorkommenden Erdhummeln verwechseln, die bei genauem Hinschauen lediglich zwei gelbe Querstreifen besitzen.
Hummeln leben in Völkern zusammen
Gartenhummeln gehören – wie übrigens die meisten Hummeln – zu den staatenbildenden Insekten. Sie leben in kleinen Völkern aus wenigen hundert Individuen, von denen einzig die Jungköniginnen überwintern, um im Frühjahr neue Völker zu gründen. Was die Nistplatzwahl angeht, sind Gartenhummeln äußerst anspruchslos. Sie bauen ihre Nester sowohl unterirdisch in verlassenen Mäusenestern als auch oberirdisch etwa in Vogelnestern oder Dachgiebeln. Häufig kehren die Töchter der Königinnen im folgenden Jahr an den gleichen Nistplatz zurück.
Was Gartenhummeln besonders schmeckt
Wer Gartenhummeln im Gärten fördern möchte, sollte möglichst auf ein ganzjähriges Angebot an heimischen Blühpflanzen achten. Besonders gern fliegen Gartenhummeln zum Beispiel auf typische Gartenkräuter wie Salbei, Minzen und Basilikum, aber auch auf viele Schmetterlingsblütler wie Klee, Wicken und Ginster. Spezielle Nisthilfen benötigt die anpassungsfähige Gartenhummel nicht. Ihr reicht mitunter schon ein leerer Vogelbrutkasten oder ein locker geschichteter Komposthaufen, um sich heimisch zu fühlen.
Nicht Gartentier 2023, aber auch schön und nützlich
Auch 2023 hat es an Mitbewerbern nicht gemangelt. Während der Mensch sich in seinem Garten erholt, ist das Grün auch ein wertvoller Lebensraum für Vögel, Insekten und andere Wildtiere. Sie lieben die naturnahen Lebensorte als Rückzug. „Wer naturnah gärtnert, kann zu Hause bereits viel Gutes für die heimische Artenvielfalt tun“, sagt Florian Amrhein, Pressesprecher der Heinz-Sielmann-Stiftung. Allein deshalb schon freut es die Stiftung, allen Natur- und Gartenfans die anderen Tiere und Insekten näher vorzustellen.
Wissenswertes rund um die Kandidaten
Die Mönchsgrasmücke gehört zu den Singvögeln und ist unsere häufigste Grasmückenart. Ihr ursprünglicher Lebensraum sind lichte und Gebüsch reiche Wälder. Kein Wunder, dass sie sich in Gärten wohlfühlt. Im Frühjahr kehren die Singvögel aus den südlichen Winterquartieren zurück. Mit einem melodischen Gesang steckt das Männchen lautstark die Grenzen seines Reviers ab. Den Namen hat die Art von der schwarzen Federhaube des Männchens bekommen, die aussieht wie Pileolus, die Kopfbedeckung katholischer Würdenträger. Das Weibchen hält sich mit einer rostbraunen Kappe farblich etwas mehr zurück. Nester werden in dichten Hecken oder Gebüschen angelegt. Dort finden sie auch zahlreiche Insekten, die sie zur Aufzucht der Küken benötigen.
Mauswiesel oder Hermelin? Erhascht man einen Blick auf den Schwanz des kleinen Gartenbesuchers, kann man die Arten leicht unterscheiden. Dem Mauswiesel fehlt die charakteristische schwarze Schwanzspitze. Mäuse stehen auf seiner Speisekarte ganz oben. Als Gartengast reguliert das Mauswiesel die Mäusepopulation. Es braucht ausreichend Versteckmöglichkeiten und einen Ort für die Aufzucht der Jungtiere. Wilde Gartenecken mit Totholz, Steinhaufen und Reisig dürfen also nicht fehlen.
Wie krabbelnde Edelsteine, etwas behäbig, aber wunderhübsch anzusehen, erobern die Goldglänzenden Rosenkäfer im Frühling und Sommer die Blüten im Garten. Sie sind auf der Suche nach Nektar und Pollen. Aber nicht nur das Nahrungsangebot lockt. Die Blüten sind auch Rendezvousplatz. Bei der Paarung bilden die schillernden Käfer einen Doppeldecker. Ihre harten Flügeldecken glänzen in verschiedenen Gold- oder Purpurtönen. Die Larven leben im Untergrund. Sie ernähren sich, im Gegensatz zu anderen Engerlingen, von totem Pflanzenmaterial und schaden den Gartenpflanzen nicht. Ein Kompost oder eine Ecke mit Totholz werden so zur Kinderstube der Rosenkäfer.
Ein Schwalbenschwanz im Garten ist meist eine kleine Überraschung. Der große Edelfalter macht mit seiner Farbenpracht und Spannweite bis zu siebeneinhalb Zentimetern auch mächtig Eindruck. Seine Raupen stehen ihm in nichts nach. Ältere Raupen sind giftgrün mit schwarzen Streifen und orangegelben Punkten. So signalisieren sie: Ich bin ungenießbar, es lohnt sich nicht, mich zu fressen! Wilde Möhre im Blumenbeet nutzt der Schwalbenschwanz als Eiablageplatz. Aber auch Kräuter und Gemüse wie Gartenmöhre, Petersilie, Fenchel oder Dill dienen den Raupen als Nahrung. Der Schmetterling überwintert als Puppe, aus der im April der fertige Falter schlüpft.
Vielleicht nicht das schönste, aber das nützlichste Gartentier ist der Regenwurm. Er sorgt für nährstoffreichen Gartenboden, außerdem belüften seine Gänge das Erdreich. In Deutschland leben 46 Regenwurmarten. Ein Regenwurm frisst täglich etwa die Hälfte seines Körpergewichts und setzt Laub und anderes totes Pflanzenmaterial so zu wertvollem Humus um. Sind genügend Regenwürmer in der Gartenerde, kann man sich das mühevolle Umgraben im Beet sparen. Im Gegenteil – Umgraben bringt die natürliche Ordnung im Boden durcheinander und kann sogar kontraproduktiv sein. Oft reicht es, die Oberfläche im Gemüsebeet zu lockern.
Katrin Fiedler
SZ-Lebensbegleiter Tipp:
Mit der Aktion „Gartentier des Jahres“ macht die Heinz-Sielmann-Stiftung seit 2010 auf die ökologische Bedeutung von Gärten und zugleich auf den dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt in unserer Kulturlandschaft aufmerksam.
Die Stiftung wurde 1994 von Inge und Heinz Sielmann gegründet.
Der Namensgeber der Stiftung verbrachte seine Kindheit im ostpreußischen Königsberg und erkundete die Natur mit Fernglas, Bestimmungsbuch und Fotoapparat.
Er drehte ab 1947 etwa 30 Unterrichtsfilme für Schulen, zeigte das Privatleben von Tieren und wurde weltbekannt.
Seine Expeditionen führten Heinz Sielmann in 30 Länder auf alle Kontinente. So ging es Mitte der 60er nach Nordamerika. Dort reiste er mit Flugzeug, Boot und Hundeschlitten und filmte für seinen Kinofilm „Lockende Wildnis“.
Er legte Umweltprobleme offen, zeigte, dass einzigartige Lebensräume einfach verschwinden und mit ihnen die darin lebenden Tiere. Sielmann sagte: „Besonders die Erkenntnisse der letzten Jahre haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, uns in unserer Maßlosigkeit gegenüber unserer Umwelt einzuschränken.