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Pflegerin aus Polen im Garten der Patientin
Pflegerinnen müssen flexibel sein. Blumen gießen oder mit dem Hund Gassi gehen kann zusätzlich zu einer Aufgabe werden. Foto: Anette Rietz

Pflegerin von Herzen

Deutschland – Morgen geht es nach Polen, zurück nach Hause. Hinter Marzena W.* liegen Wochen der Pflege, einer sehr anspruchsvollen Arbeit. Aktuell betreut sie eine 89-jährige Dame, die noch fast alles alleine kann, aber unter deutlichen Anzeichen von Demenz leidet (Lesen Sie zum Thema „Demenz“ auch unseren Beitrag „Dresdner Professor kämpft gegen Demenz“).

In Polen war Marzena viele Jahre als Krankenschwester auf einer Palliativstation beschäftigt. Ein Kollege erzählte ihr begeistert von einer Agentur, die Pflegekräfte vermittelt. Die Polin bewarb sich – und wurde sofort eingestellt.

Respekt, Empathie und Geduld – nicht Jedermanns Sache!

Ihr erster Job war in Düsseldorf. Dort lernte sie auch Deutsch. Die polnische Agentur hat ihr den Kurs bezahlt. Im Gegenzug muss sie zweimal zwei Monate kostenlos für die Firma als Pflegerin arbeiten, so lautet der Vertrag.

Im Deutschkurs hat Marzena die Basisvokabeln für Pflegekräfte gepaukt: Gabel, Messer, Teller, Guten Morgen. Ganze Sätze hat sie erst im Gespräch mit den Patienten gelernt. „Grammatik leider nie“, bedauert sie. Doch was zu tun ist und in welchen Abläufen, das weiß die ausgebildete Krankenschwester.

SZ-Lebensbegleiter hat Marzena W. aus Polen getroffen und ihre Gedanken notiert:

Eltern sollen nicht immer „Bitten“ müssen

„Ich mag die Arbeiten mit alten Menschen“, sagt sie lächelnd und macht klar: „Ein Pfleger muss geduldig und empathisch sein.“ Marzena versteht nicht, warum oftmals die eigenen Kinder der Pflegebedürftigen diese Qualitäten nicht mitbringen und so wenig Respekt vor den Eltern haben. „Ich war einmal bei einem Ehepaar in Süddeutschland als Pflegerin. Die Söhne hatten eine gute Arbeit, einer in einer Bank, der andere in einer Versicherung. Sie verwalteten das Geld ihrer Eltern, aber gönnten ihnen nichts. Nicht mal den Friseur für die Mutter. „Wozu?“, fragten die Söhne. Nüchtern fasst die Pflegerin ihre Erfahrung zusammen: „Bei 90 % der Stellen, die ich in Deutschland hatte, haben sich die Kinder nicht liebevoll gekümmert. Das tut mir weh.“

Auch in Deutschland gibt es viele arme Menschen

„In Polen denkt man, den Deutschen geht es allen gut. Hier gibt es ein gutes Sozialsystem. Aber das ist auch teuer. Ich war einmal in Sachsen-Anhalt in einem kleinen Ort in der Altmark. Die Leute dort hatten sehr wenig Geld. Die 91-jährige Witwe lebte von zwei Renten, nur deshalb konnte sie meine Pflegeleistung bezahlen. Bei ihrem Sohn war das anders. Der 70-jährige Mann war zwar auch Rentner, erhielt aber nur 800 Euro pro Monat. Deshalb musste er weiterarbeiten.

Die Wohnung der beiden war sehr klein. Die Frau konnte nicht mehr laufen, aber sie wollte immer alles selbst machen. Die Dame hatte einen sehr starken Willen. Ich musste nur einkaufen und mit ihr spielen. Sie wollte vor allem meine Gesellschaft, sie wollte kein Pflegefall sein. Es ist schön, wenn man alte Menschen motivieren und ihnen ein Lächeln auf das Gesicht zaubern kann“, erinnert sich Marzena.

Ohne hohes Einfühlungsvermögen und Flexibilität geht es nicht

Marzena hat ein gutes Selbstbewusstsein. Sie kann sich durchsetzen und nimmt ihren Beruf sehr ernst. Und sie ist flexibel, denn die Aufgaben bei einer Pflege sind bei jedem Patienten anders. „Man muss sich jedes Mal neu auf eine Situation einstellen, sowohl auf den Patienten, als auch auf die Familie, die den Pflegebedürftigen umgibt“, sagt die Polin.

Vorab erhalten beide Seiten über die Agentur einen „Bewerbungsbogen“ in Form eines Steckbriefes über die jeweilige Person und örtlichen Gegebenheiten.

Mindestaufenthalt bei einem Patienten sind sechs Wochen. Für wie lange sie dann bleiben möchten, das können die Pfleger selbst bestimmen. Die Agentur bringt die Pfleger direkt zur neuen Arbeitsstelle. Doch erst vor Ort erfährt man Tag für Tag mehr über die familiären Umstände und den Pflegebedürftigen.

Manche Angehörige kommen täglich zu Besuch, einige nur einmal im Monat auf einen Kaffee. „Viele wollen dann aber trotzdem alles besser wissen“, weiß Marzena und ergänzt: „Pfleger müssen Autorität besitzen, damit die Patienten auch die Abläufe akzeptieren. Niemand möchte bevormundet werden, daher sind Geduld und Verständnis das A und O bei der Betreuung.“

Ist die eigene Scham vor dem Alter überwindbar?

„Eine sehr gute Zeit hatte ich in Braunschweig“, erinnert sich Marzena. „Herr K. hatte keine Familie mehr vor Ort und war auf Pflege angewiesen. Bei ihm war ich insgesamt vier Jahre.

Gerade Männer akzeptieren oft nicht, dass sie krank sind. Sie vergessen nicht, wie sie früher waren und was sie alles konnten. Was jetzt ist, wird selten akzeptiert. Wenn ich spazieren gehen wollte mit Herrn K., dann wollte er nicht. Er hatte Angst, dass man die Windel sieht. Ich habe gesagt, dass das nicht auffällt. Aber er wollte trotzdem nicht.“

„Wenn du kommst, dann scheint die Sonne für mich.“

Tägliche Bewegung und Ausflüge an die frische Luft sind wichtige Rituale für ältere Menschen. Das Leben muss einen Sinn haben und Pfleger sollten motivieren. So erinnert sich Marzena zurück an Braunschweig: „Zwar wollte Herr K. nicht spazieren. Zuhause hatte er aber ein Trimm-Dich-Rad. Krankengymnastik und Ergotherapie kamen ebenfalls in die Wohnung. Wir hatten einen netten Umgang miteinander. Dann kam Corona. Ich bin von Dezember 2019 bis Juli 2020 geblieben, um die Quarantäne zu vermeiden. Dann musste ich nach Hause. Als ich im September wiederkam, ist er am gleichen Tag gestorben. Die Familie sagte, er hätte noch auf mich gewartet. Das war schlimm für mich. Er hat immer nette Dinge gesagt, wie „Wenn du kommst, dann scheint die Sonne für mich“. Ab da wollte ich nicht mehr immer nur mit einer Person sein. Man gewöhnt sich an die Menschen, die einen gut behandeln.“

Psychische Anforderung ist hoch

Häufiger Wechsel der Pflegestelle, eine Familie in der Heimat, die man selten sieht. Es wird viel von Pflegern verlangt, der Job ist hart. „Viele Menschen machen sich nicht bewusst, wie gut sie es haben,“ bedauert Marzena. „Ich kann nicht verstehen, warum eine Familie nicht zusammenhält. Manchmal sind aber auch die Bedingungen einfach nicht gegeben. Ich war einmal bei einer Frau, die mit 60 Jahren bereits sieben Jahre unter Multipler Sklerose litt. Sie tat mir sehr leid. Sie musste gefüttert werden. Auf einem Spezial-Laptop nutzte sie die Bewegung ihrer Augen und schrieb auf, was sie brauchte. Ihr Mann hatte keine Geduld für sie und schrie immer. Ein Kind war in der Psychiatrie und das andere habe ich nie gesehen. Diese Stelle habe ich dann verlassen. Es war psychisch selbst für mich zu belastend,“ sagt sie traurig.

Es geht nach Hause

Marzena hat vielen Menschen in Notlagen geholfen, manchmal auch mit ihrem eigenen Geld Medikamente gekauft, wenn die finanzielle Unterstützung nicht reichte, gerade in Polen. Sie wünscht sich, dass Familien und Angehörige mehr füreinander da sind. „Das Leben ist schwer genug. Wir müssen doch zusammenhalten“. So will sie es jedenfalls weiterhin halten und ist nun erstmal für ihre zwei Enkelkinder da – in ihrer Heimat Polen.

Das Gespräch führte Anette Rietz.

*Anm.d.Red.: Um die Anonymität der Personen zu wahren, haben wir alle Familiennamen abgekürzt.

SZ-Lebensbegleiter Tipp:

Wer eine 24-Stunden-Pflegekraft sucht, begibt sich in der Regel auf Recherche ins Internet. Häufig stößt man bei der Suche auf Agenturen aus osteuropäischen Regionen wie Polen oder Rumänien, auch weil diese Pflegekräfte günstiger zu buchen sind (rund 2290 Euro pro Monat, Stand April 2022). Deutsche Agenturen unterstützen die ausländischen Firmen dabei, besseren Service zu leisten, indem die Sprachbarriere entfällt. Ein direkter deutscher Ansprechpartner ist den Angehörigen wichtig, denn so können Probleme und Wünsche schneller bedient werden.

Vermittlungsagenturen

Die Anzahl der Agenturen im Internet ist groß. Vertrauen kann zunächst durch das persönliche Telefonat aufgebaut werden. Nicht immer sind die Agenturen in der Stadt der Interessenten ansässig. Die Vermittlungsagentur Deutsche Seniorenberatung bietet Unterstützung bei der Suche von 24-Stunden-Pflegekräften und hilft beim Abschluss von Verträgen sowie der gesamten Organisation bis zur Anreise.

Hat der Patient einen Pflegegrad, zahlt die Pflegekasse einen entsprechenden Beitrag zur häuslich organisierten Pflege hinzu (Pflegegeld). Die anderen Kosten werden privat getragen.

Unter den Suchworten 24 Stunden Pflege trifft man auf ein breites Angebot privater Agenturen. Vertiefen Sie Ihr Wissen mit unserem Beitrag „Pflegereform: Bescheid wissen – Vorteile nutzen“.

Pflegedatenbank Sachsen

Der Freistaat Sachsen hält im Internet eine Pflegedatenbank bereit. Hier finden Angehörige wichtige Kontakte im Bereich Pflege.

Die Volkssolidarität Dresden e.V. hat am 1. Mai 2019 im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt die Aufgaben einer sachsenweit tätigen Fachservicestelle für Alltagsbegleitung, Nachbarschaftshilfe übernommen. Weiterführende Informationen sowie den Kontakt zur Fachservicestelle finden Sie hier

Verhinderungspflege

Wer eine Pflegekraft beschäftigt oder selbst Familienangehörige mit Pflegegrad 2 bis 5 pflegt, kann Geld für Verhinderungspflege beantragen, sofern eine Betreuungskraft aus einem bestimmten Grund zeitlich begrenzt verhindert sein sollte. Die Pflegekasse übernimmt nachgewiesene Kosten der Verhinderungspflege (Ersatzpflege) für maximal sechs Wochen pro Jahr. Diese Ersatzpflege kann auch für 24 Stunden Pflege in Anspruch genommen werden. Weitere Informationen erteilt z.B. die Verbraucherzentrale.

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